Zuviel Unterhalt wird verlangt - verzweifelt!

  • Hi,


    der große Wurf, Entschuldigung, das ist doch lachhaft. Das ist doch lediglich eine Bund-Entlastungs-Aktion. Anstelle von ALG II für die Kids, vom Bund finanziert, gibt es dann Unterhaltsvorschuß, überwiegend vom Land finanziert. Und Unterhaltsvorschuß kann bedeutend weniger sein als ALG II. Keine 100 € mehr pro Schulkind/Schuljahr, keine Finanzierung der Klassenfahrten durch das Job-Center u.s.w. Das bringt doch gar nichts. Und, noch was wird immer übersehen. Die Landesmittel werden verwaltet von den örtlichen Jugendämtern. Die Kommunen, ohnehin bis zum Anschlag verschuldet, müssen also das Personal für eine Dienstleistung des Landes stellen. Aus dem Etat "Jugendamt." In meiner Stadt, das wird woanders nicht anders sein, sind im Augenblick alle, wirklich alle freiwilligen Leistungen auf dem Prüfstand. Also, der Mehraufwand an Personal wird wahrscheinlich reingeholt werden durch Streichung der Gratis-Fahrten mit dem Schulbus und durch Nichteinführung eines Gratis-Jahres in der Kita. So einfach ist das. Das ist weiss Gott und Mensch kein Superwurf, sondern eine Riesen-Umschuldung, und das wars.


    Und für die Kinder, die ALG II bisher bekamen, hatten die Eltern einen Ansprechpartner, nämlich das Job-Center. Jetzt haben wir das Jugendamt, die Wohngeldstelle, eventuell dann doch noch das Job-Center, evtl. die Familienkasse. Wie soll das jemand, der arbeitet, allein auf der Zeitschiene koordinieren?


    Der Schrei nach dem Gesetzgeber für Lohnerhöhungen ist nun aber völlig verfehlt. Wir haben eine grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie. Zuständig sind Gewerkschaften! Man kann trefflich darüber streiten, ob nicht schon der Mindestlohn ein Eingriff in die Tarifautonomie ist. Der Mindestlohn war ja wohl auch durch Gesetz nur erforderlich, weil die Gewerkschaften seit Jahrzehnten flächendeckend versagt haben. Die Leichtlohngruppen für Frauen wurden gegen den erbitterten Widerstand der Gewerkschaften abgeschafft. Die letzte wirklich überzeugende Aktion der Gewerkschaften, an die ich mich erinnere, das war die Aktion "Samstag gehört Pappi mir."


    Meine Güte, von 5 Mio € kann man vielleicht 5 Kitas bauen. Und das wars. Sie weder unterhalten, noch sonst irgend was tun. Ich hab oben die Zahl genannt, die Summe, die aufgebracht werden muss, um einen Kita-Platz zu finanzieren.


    Und noch etwas: solange Geiz geil ist, werden wir keine nennenswerte Strukturänderung hinbekommen, wobei ich mal dahingestellt sein lasse, ob wir die wirklich brauchen. Man kann nicht einerseits auf Dumping-Preise abfahren, andererseits aber ausschalten, wie die Lohn-Kalkulation dieser Betriebe zwingend aussehen muss, um zu überleben.


    Ich habe kein Problem mit ALG II. Wenn jemand sich nicht selbst finanzieren kann, dann muss es der Staat tun. Aber, ich habe Probleme mit der Anspruchshaltung, ich habe Probleme damit, dass die Menschen nicht mehr bereit sind, auch finanzielle Verantwortung für eigenes Tun zu übernehmen. Und Kinder in die Welt setzen, das ist nun mal eigenes Tun. Da kann ich nicht auf die Zauberfee warten, die das regelt. Sorry.


    Herzlichst


    TK

  • Hallo,


    Man kann nicht einerseits auf Dumping-Preise abfahren, andererseits aber ausschalten, wie die Lohn-Kalkulation dieser Betriebe zwingend aussehen muss, um zu überleben.


    Richtig !!


    Die Leute wollen bei Aldi &Co billig einkaufen, beschweren sich aber dass sie 3 Minuten warten müssen,


    weil nicht alle Kassen besetzt sind.


    lg
    edy

    Eine freundliche Begrüßung bei jedem Beitrag, ist eine Werschätzung gegenüber den Antwortgebern
    z.B. "Hallo"
    Das ist ein Laienforum, die Antworten sind nicht rechtsverbindlich. edy (Admin)

  • Mahlzeit!

    Hi,
    ist weiss Gott und Mensch kein Superwurf, sondern eine Riesen-Umschuldung, und das wars.


    Ich weiß das, aber viele betroffene Alleinerziehende sehen das allerdings reichlich anders.


    Zitat

    Der Schrei nach dem Gesetzgeber für Lohnerhöhungen ist nun aber völlig verfehlt. Wir haben eine grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie.


    Wir haben auch Freizügigkeitsrecht und Berufsfreiheit in der Verfassung. Wir haben aber auch die Erreichbarkeitsanordnung und den §10 SGB II (Zumutbare Arbeit), die das wieder aufweichen. Und wir haben Hartz IV und das Sanktionsregime. "Wenn du den Job nicht für das Geld machen willst, dann macht ihn jemand anders". Diesen Satz mußten sich meine studierten Kollegen schon häufiger anhören. Es will und kann aber auch nicht jeder auswandern.


    Zitat

    Zuständig sind Gewerkschaften!


    Ja, stimmt alles. Echte grossflächige Arbeitskämpfe hat es seit über 12 Jahren nicht mehr gegeben.


    Das geht vor allem auf das vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zurück. Dieses Gesetz haben die Gewerkschaften aber nicht gemacht. Vielleicht hätten sie es verhindern können. Jetzt stehen sie nur noch daneben, weil der nächste Billigheimer darauf wartet, den Job zu machen.


    Wir werden jedenfalls das zweifellos bestehende Mißverhältnis zwischen den unteren Einkommensgruppen und den untersten Beträgen der Düsseldorfer Tabelle hier nicht durch Diskussion aus der Welt schaffen können.


    Zitat


    Ich habe kein Problem mit ALG II. Wenn jemand sich nicht selbst finanzieren kann, dann muss es der Staat tun. Aber, ich habe Probleme mit der Anspruchshaltung, ich habe Probleme damit, dass die Menschen nicht mehr bereit sind, auch finanzielle Verantwortung für eigenes Tun zu übernehmen. Und Kinder in die Welt setzen, das ist nun mal eigenes Tun. Da kann ich nicht auf die Zauberfee warten, die das regelt. Sorry.


    Ich könnte mich auch darüber aufregen, daß Leute alle möglichen Steuervorteile nutzen, Prämien einheimsen und Subventionen abgreifen.


    Wo sind die denn bitte schön solidarisch? Die können ja auch einfach mal nur den Arbeitnehmerpauschbetrag in Anspruch nehmen. Die regeln ihre Beschäftigung ja auch eigenverantwortlich.


    Konkret auf den Fall hier bezogen soll sich ein Unterhaltspflichtiger stattdessen dann an den Instanzen abarbeiten, dafür Zeit, Geld und Nerven und Gesundheit investieren um Geld zu erwirtschaften, das es vor einer Trennung in diesem Umfang nie gegeben hat? Sorry, aber dafür habe ich kein Verständnis.
    Wir Unterhaltsverpflichteten ernähren selber durch Streitigkeiten vor den Familiengerichten das System, das uns in die Schuldknechtschaft zwingt und oft genug auch von den Kindern ausgrenzt. Verantwortung ja, aber keine Sklavenarbeit. Für Leute, die sich nun um wirklich gar nichts kümmern und nur die Hand aufhalten, habe ich aber auch kein Verständnis.

  • Hi,


    sorry, vielleicht etwas altmodisch. Aber ich bin so erzogen, dass ich für das verantwortlich bin, was ich "verursache," und dazu gehören nun mal auch meine Kinder. Ich meine, man sollte sich darauf konzentrieren, die Ursachen für die Armut von Alleinerziehenden und ihren Kindern zu beseitigen. Diese verfluchte 3-Jahresfrist, in der man nach der Geburt nicht arbeiten muss, das ist ein Rückschritt ohne Ende. Hier wurde ein allgemeines Lebensrisiko auf die Unternehmer abgewälzt. Bei uns hieß das im Klartext, dass man hochwertige Stellen nicht an Frauen im gebährfähigen Alter gegeben hat. Und gerade im Büro ist ja der Wandel so schnell, dass nach 3 Jahren Pause letztlich nur noch für minderwertige Arbeiten wieder eingestiegen werden kann. Ein wesentlicher Baustein zur Armut. WEiterer Baustein ist die nach wie vor schlechtere Ausbildung der Frauen ("ist je eh nur bis zum ersten Kind"). Und ganz wichtig, die gesellschaftliche Ächtung der Frauen, die 8 Wochen nach der Geburt wieder anfangen zu arbeiten.


    Und diese Ansatzpunkte, die müssen wir in der Familie weg bekommen. Ich z.B. wurde bei dem Vorstellungsgespräch meines Jüngsten vor der Einschulung gefragt, ob es etwas besonderes in der Familie gäbe, was die Schule wissen müsse. Ich zögerte mit der Antwort, der Rektor meinte dann: "na ja, z.B. wenn der Vater trinkt oder die Mutter arbeitet." Eine Studienpraktikantin, die ihr Praktikum bei mir absolvierte, hatte zwei Kinder, die vormittags im Kindergarten waren. Das Praktikum wurde von der Dauer her verlängert, also massgeschneidert auf die Kita-Zeiten. Nach etwa zwei Wochen gab es dann einen ziemlichen Aufstand. Ehemann tauchte auf, brüllte unheimlich rum, erklärte, er sei es satt, wenn er nach Hause käme, eine müde Frau vorzufinden, es sei ihm vor den Nachbarn peinlich, die könnten ja glauben, er würde inzwischen zu wenig verdienen, um seine Frau zu ernähren. Er zerrte sie raus, sie ward nicht mehr gesehen.


    Etwa drei Jahre später wurde ich als Zeugin in einer Familienrechtsangelegenheit vor Gericht geladen. Als ich die Parteien sah, wußte ich wieder, wer es war. Er hatte inzwischen die Ehefrau gegen was jüngeres eingetauscht. Inzwischen war nicht mehr die Rede davon, dass Berufstätigkeit auch den Kindern schaden könnte, im Gegenteil. Auch das wurde der Frau die drei Jahre zuvor bei der "Abholaktion" vorgeworfen. Nee, er sah gar nicht ein, dass er für die Frau auch nur einen Cent nachehelichen Unterhalt zahlen sollte. Natürlich war schon das berühmte "Trotzkind" mit der Neuen gezeugt. Da er gut verdiente, hat dann das Gericht entschieden, dass auch für die Frau für die Dauer bis zur Beendigung des Studiums noch Unterhalt zu zahlen sei.


    Ein guter Freund von mir ist in einer großen Stadt in Deutschland DER Arbeitsrechtler, arbeitet als Anwalt. Seine Erfahrung durchgängig ist, dass er von jungen Müttern nicht etwa mandatiert wird, weil sie nicht an ihren alten Arbeitsplatz zurück können, sondern weil sie eben nicht mehr zurück wollen, und eine Abfindung aushandeln lassen wollen.


    Und diese Problematik bekommen wir weder durch Unterhaltsvorschuß weg, noch durch sonst was der Regierung. Da sind wir alle gefragt. In der Erziehung unseres Nachwuchses. Im Respekt vor Menschen, die gleich acht Wochen nach der Geburt wieder anfangen zu arbeiten. Die also gar nicht erst in die Armut abrutschen. Bei 150 verschiedenen Förderungsmöglichkeiten für Kinder, da denke ich mal, ist der Staat an seiner Grenze angekommen. Wir sollten uns drauf konzentrieren, dafür zu sorgen, dass es der Förderung nicht bedarf.


    Herzlichst


    TK