wenn die 100.000 Grenze kommt ...

  • aus Urteil des BSG vom 25.08.2004, AZ: B 12 KR 36/03 R


    Das SG hat es zu Recht abgelehnt, zur Ermittlung des Gesamteinkommens von den Einkünften der Klägerin oder ihres Ehemannes Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG), Kinderfreibeträge (§ 32 Abs 6 EStG) und Haushaltsfreibeträge (früher § 32 Abs 7 EStG) abzuziehen. Denn zur Bestimmung des Gesamteinkommens nehmen § 16 SGB IV und § 10 Abs 3 SGB V nicht auf das zu versteuernde Einkommen iS des § 2 Abs 5 Satz 1 EStG, nicht auf das Einkommen iS des § 2 Abs 4 EStG und auch nicht auf den Gesamtbetrag der Einkünfte iS des § 2 Abs 3 EStG Bezug. Anknüpfungspunkt ist vielmehr die Summe der Einkünfte vor Abzug der in § 2 Abs 3 bis 5 EStG genannten Abzugsposten.

  • der Termin zur Einführung der 100.000 € Grenze am 01.01.2020 rückt immer näher, da stellt sich die Frage,

    muss ich etwas tun, wenn ja, was sollte ich veranlassen,

    oder muss ich nichts tun


    die Altfälle, also Unterhaltpflichtige die bereits freiwillig zahlen (es liegt kein Gerichtsurteil vor), bzw. nur fleißig Schriftsätze austauschen, sollten aus meiner Sicht das Sozialamt sicherheitshalber auf die Grenze aufmerksam machen


    ich würde das Sozialamt im Dezember oder Anfang des Jahres darüber informieren, ich liege unter 100.000 € und entsprechende Informationen mitliefern (Jahreslohnsteuerbescheinigung), dann hab ich Ruhe

    wer bereits bezahlt und unter der Grenze liegt, teilt zugleich mit, die Zahlung wird ab 01/2020 eingestellt

    bei wem ein Urteil vorliegt, wird wohl eine Abänderungsklage einreichen müssen


    die Neufälle, also Unterhaltspflichtige, die eine Rechtswahrungsanzeige ab 01/2020 erhalten, sollten gleichfalls das Sozialamt entsprechend informieren, das erspart u. U. langwierige Auseinandersetzungen bzgl. Auskunft


    nichts tun kann zu negativen Überraschungen führen, denn Sozialämter werden in der Regel nicht von sich aktiv werden, das zeigen die Erfahrungen aus der Vergangenheit



  • die Altfälle, also Unterhaltpflichtige die bereits freiwillig zahlen (es liegt kein Gerichtsurteil vor), bzw. nur fleißig Schriftsätze austauschen, sollten aus meiner Sicht das Sozialamt sicherheitshalber auf die Grenze aufmerksam machen

    In den FAQ (Punkt 11) zum Gestz steht, das man nichts machen muss.


    Ich bin echt unsicher was nun die bessere Variante für mich ist.

    Verstehe deine Argumente vollkommen, habe aber auch noch die Karte der Verwirkung in der Hand.


    Die Vergangenheit wird doch eh nach den alten Regeln abgewickelt, also den "Schaden" so klein wie möglich halten, wenn eine Möglichkeit besteht.


    Da ich ein gutes Stück von der magischen Grenze liege, mache ich mir um die Zukunft weniger Gedanken.


    Das Amt hat vollständige Auskünfte von mir. Daraus wird klar ersichtlich, das ich die Grenze unterschreite.

    Warum dann den möglicherweise "vergessenen Vorlagevermerk" selber aktivieren?


    LG frase

  • In den FAQ (Punkt 11) zum Gestz steht, das man nichts machen muss.

    ich halte diese Antwort für Beamten-Naivität, die Herrschaften haben ja keine persönlichen Erfahrungen mit den Sozialämtern gemacht


    ich lag über 10 Jahre im Clinch, 3 Prozesse geführt, eins habe ich daraus gelernt, geh auf Nummer Sicher, gib den Herrschaften keine Möglichkeit, dir einen Strick daraus zu drehen


    natürlich muss jeder wissen, was er macht, ist ja nur eine Empfehlung

  • wer weiß schon wie ein Sozialamt reagiert

    Artikel 20 des Grundgesetzes verpflichtet auch die Sozialämter sich an Recht und Gesetz zu halten,

    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.


    und tun sie das, nein

    sie verstossen ständig gegen Recht und Gesetz

  • welche Wirkung hat eine Rechtswahrungsanzeige?


    mit einer rechtswirksamen Rechtswahrungsanzeige zeigt das Sozialamt an, es wird Sozialhilfe geleistet, mit der Folge, der Unterhaltsanspruch des bedürftigen Elternteils geht auf den Träger der Sozialhilfe über

    zugleich entfaltet diese RWA die Funktion einer Mahnung, das bedeutet, das unterhaltspflichtige Kind ist nicht mehr frei in seinen finanziellen Dispositionen


    was bedeutet dies, wenn ab 01.01.2020 die neue Grenze eingeführt?

    aus dem Gesetzesentwurf zum Angehörigen-Entlastungsgesetz zu § 94 SGB XII:


    "Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist §117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.“


    Kommt eine Rechtwahrungsanzeige erstmalig ab 01.01.2020 und kann die Vermutung nicht wiederlegt werden, die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen liegen unter 100.000 €, dann ist der Unterhaltspflichtige frei in seinen Dispositionen, denn die Rechtswahrungsanzeige entfaltet keine rechtliche Wirkung

    dies gilt solange, bis eines Tages die Vermutung widerlegt wird


    was ist mit den Altfällen, bei denen die Rechtswahrungsanzeige bereits vorliegt?

    Fortsetzung folgt

  • was ist mit den Altfällen, bei denen die Rechtswahrungsanzeige bereits vorliegt?

    selbstverständlich hält die Wirkung der Rechtswahrungsanzeige bis zum 31.12.2019 an, sofern keine "besonderen" Ereignisse die RWA unwirksam machen

    zugleich entfaltet diese RWA die Funktion einer Mahnung, das bedeutet, das unterhaltspflichtige Kind ist nicht mehr frei in seinen finanziellen Dispositionen

    was bedeutet dies für die Altfälle ab 01.01.2020?


    kann die Vermutung seitens des Sozialamts nicht widerlegt werden, die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen liegen unter 100.000 €, dann ist der Übergang ausgeschlossen, die Mahnfunktion der Rechtswahrungsanzeige ist nichtig, der Unterhaltspflichtige ist ab 01/2020 wieder frei in seinen Dispositionen,

    bis zum Zeitpunkt der Widerlegung der Vermutung


    wie die Sozialämter ab 01/2020 reagieren werden, wird niemand vorhersagen können, da wird es wohl sehr unterschiedliche Reaktionen geben, in welcher Form auch immer


    deswegen bleibe ich bei meiner Empfehlung, kurze Mitteilung an das Sozialamt, "der Unterhaltspflichtige liegt unter 100.000, (sofern dies der Fall ist)

    die Zahlung wird ab 01.2020 eingestellt"

    wie die Reaktion darauf ist, wird man sehen

  • die Mahnfunktion der Rechtswahrungsanzeige ist nichtig, der Unterhaltspflichtige ist ab 01/2020 wieder frei in seinen Dispositionen,

    wie weit diese Freiheit geht, entzieht sich meiner Kenntnis, mir ist auch kein entsprechendes Urteil bekannt, wie betreten ja quasi "Neuland"

    nach meinem Rechtsverständnis sollte es keine Einschränkung geben,

    das bedeutet beispielsweise, vom Vollerwerb zu Teilzeit gehen, Kredite aufzunehmen, etc.

    ob die Gerichte dies auch so sehen .... ?


    wird später die Vermutung widerlegt, so sollten aus meiner Sicht die so getroffenen Dispositionen weiterhin Bestand haben, wie Dispositionen die vor einer Rechtswahrungsanzeige erfolgt sind

  • in einem Punkt bin ich mir sicher, die Sozialämter werden das neue Gesetz "weit" auslegen, die Unkenntnis von Unterhaltspflichtigen und Anwälten ausnutzen, erhebliche Verwirrung stiften

    dazu wird auch folgender Satz beitragen, der in § 94 SGb XII neu eingefügt wird:


    "Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten
    der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist §117 anzuwenden."


  • ich frage mich, was diese Antwort des BMAS faktisch bedeuten soll, aus meiner Sicht interpretationsbedürftig

    eine schlüssige Antwort habe ich jedenfalls nicht

    dazu folgendes Beispiel:


    der Unterhaltspflichtige zahlt seit 2018 brav jeden Monat freiwillig (ohne Gerichtsurteil) 200 € an das Sozialamt


    das BMAS sagt, der Unterhaltspflichtige muss nichts tun

    die Folge des Nichtstun, der Dauerauftrag läuft fröhlich weiter auch im Jahr 2020

    oder muss das Sozialamt etwas tun, dann stellt sich mir die Frage, was soll es tun?

    und wenn das Sozialamt nichts macht, was dann?

  • die Folge des Nichtstun, der Dauerauftrag läuft fröhlich weiter auch im Jahr 2020

    Unikat : vermutlich wird das Amt die Leute nicht anschreiben und darum bitten den Dauerauftrag zu stoppen;)


    Da aber jeder, der von seinen hart erarbeiteten Einkünften etwas abgeben muss, seinen Kontobewegungen in Richtung Abfluss im Auge haben wird, sehe ich hier dann dringenden Handlundsbedarf. Da stimme ich dir vollkommen zu:)


    LG frase

  • vermutlich wird das Amt die Leute nicht anschreiben und darum bitten den Dauerauftrag zu stoppen ;)


    Da aber jeder, der von seinen hart erarbeiteten Einkünften etwas abgeben muss, seinen Kontobewegungen in Richtung Abfluss im Auge haben wird, sehe ich hier dann dringenden Handlundsbedarf. Da stimme ich dir vollkommen zu :)

    deswegen sollte ein Unterhaltspflichtiger die von mir immer genannte Mitteilung machen


    noch eine Anmerkung dazu,

    wenn Unterhaltspflichtiger auch nach 01/2020 weiter zahlt und irgendwann die Rückzahlung verlangt, dann kann das Sozialamt dies verweigern, rechtliche Grundlagen dazu gibt es

  • noch eine Anmerkung dazu,

    wenn Unterhaltspflichtiger auch nach 01/2020 weiter zahlt und irgendwann die Rückzahlung verlangt, dann kann das Sozialamt dies verweigern, rechtliche Grundlagen dazu gibt es

    § 814 BGB


    Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.

  • § 814 BGB


    Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.

    schon aus diesem Grund halte ich Nichtstun für sehr gefährlich

  • "Mist, ich hab nicht gewusst, das mein Gesamteingommen doch unter 100.000€ liegt.

    Das habe ich erst erfahren, als ich meinen Einkommenssteuerbescheid erhalten habe.

    Da hatte ich aber schon 10 Monate EU-gezahlt."


    Nur eine theoretische Situation. Was bringt den dann der Zusatz: "Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung"


    LG frase