Angehörigen-Entlastungsgesetz - "100.000 Euro"-Grenze in der Sozial- und Eingliederungshilfe

  • Hallo Alle,


    Das Thema "Elternunterhalt erst ab 100.000 Euro" wurde von Herzenskrieger erstmals aufgegriffen und seitden im Forum aufmerksam verfolgt (Link).


    Vielen von uns hat die Möglichkeit einer einkommensabhängigen Begrenzung des Elternunterhalts in den vergangenen Monaten Hoffnung gemacht und zahlreiche User haben einen nicht unerheblichen Aufwand betrieben um das Thema bei Abgeordneten, Parteien und Ministerien in Erinnerung zu rufen sowie Informationen zu recherchieren.


    Nachdem in den letzten Wochen Bewegung in das Thema gekommen ist, liegt nun endlich offiziell ein Referententwurf vor, der den Ausgangspunkt für das hoffentlich bald startende Gesetzgebungsverfahren bilden wird:


    Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Ange-höriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe


    Im Entwurf sind nun viele Themen die im Forum bereits desöfteren diskutiert wurden erstmals konkret ausgeführt. Als Beispiel sei etwa die Ausweitung der 100.000 Euro Grenze auf die Eingliederungshilfe genannt, was über die im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarung hinausgeht. Dieser Thread soll dazu dienen, die Implikationen des Entwurfes zu analysieren und diskutieren sowie den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu verfolgen.


    Auch falls das Forum über das "Lobbying" bei Abgeordneten etc. nur einen kleinen Teil dazu beigetragen haben sollte, dass die Sache endlich konkret wird, ist das auf jeden Fall ein Anlass Stolz auf das Erreichte zu sein!

    Wie ich finde, ist das ein super Beispiel wieviel man gemeinsam erreichen kann und wie gut es tut, nicht alleine mit dieser belastenden Situation zu sein - ein herzliches Dankeschön an alle unermüdlichen Foristen!

  • ein herzliches Dankeschön an alle unermüdlichen Foristen!

    Ja, das ist schon ein gutes Gefühl, wenn man aktive Mitstreiter hat, Dank an euch alle.


    Ich habe gestern Abend nicht mehr in die Tiefe gelesen.

    Durchgehend ist aber der Tenor, bei allen Sozialleistungen die 100 tsd. €-Grenze einzuführen.

    Gilt für Eltern und Kinder von UHB, auch das ist mal eine Ansage.

    Es kommen mir Textpassagen so vor, als ob man hier im Forum "abgeschrieben" hätte.


    Beispiel Kosten:

    "Darüber hinaus stehen den Mehrkosten der Länder und Kommunen nicht bezifferbare Einkommensteuermehreinnahmen bei Bund, Länder und Gemeinden gegenüber, da durch den Wegfall des Unterhaltsrückgriffs bis zu einem Jahreseinkommen in Höhe von 100 000 Euro weniger Angehörige steuerliche Vorteile geltend machen."


    oder, der eingesparte Aufwandt, sieh Seite 7!!!


    Auch an unsere Aufwandszeit wurde gedacht:


    "Eltern und Kinder, die gegenüber Personen, die Leistungen nach dem SGB XII beziehen, unterhaltsverpflichtet sind, werden durch das Gesetz im Umfang von geschätzt 422 125 Stunden entlastet."


    Bleibt zu hoffen, das dieser Entwurf durch die Gremien läuft.


    In der praktischen Umsetzung werden wir dann noch viel erleben dürfen.


    Euch einen schönen Tag,


    LG frase


  • Hallo, hier eine Passage, deren Bedeutung mir unklar ist, sicher aber für die "Besserverdiener, ü 100 tsd. €" eine Rolle spielt.


    "Zudem sollen die Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel SGB XII zukünftig auch bei Überschreiten der 100 000-Euro-Grenze durch unterhaltsverpflichtete Eltern beziehungsweise Kinder als Leistungsberechtigte im Vierten Kapitel SGB XII verbleiben und nicht wie bisher in das Dritte Kapitel SGB XII fallen. Der bisher vorgesehene Wechsel der Leistungsberechtigten vom Vierten Kapitel SGB XII in das Dritte Kapitel SGB XII wird somit für die Zukunft bei einem Überschreiten der 100 000-Euro-Grenze durch die unterhaltsverpflichteten Eltern beziehungsweise Kinder ausgeschlossen. Vielmehr verbleiben die Leistungsberechtigten nunmehr in dem Leistungskapitel, aus dem sich ihr Leistungsanspruch ergibt, ohne dass eine Neuzuordnung aus formalen Gesichtspunkten erforderlich ist."


    LG frase

  • Obwohl ich grundsätzlich (als direkt Betroffener) die Einführung des neuen Gesetzes begrüße, taucht dann doch die ein oder andere Frage auf.

    z.B.:

    Zitat

    Durch die einzuführende Vermutungsregelung sind nicht mehr die Unterhaltsansprüche aller in Betracht kommenden Angehörigen zu überprüfen, sondern nur dort, wo im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Einkommensgrenze von 100 000 Euro vorliegen.

    Die da wären? D.h. man bedient sich gleich beim Finanzamt oder den Banken? Alternativ könnte man auch die Arbeitgeber zu einer Meldepflicht verdonnern.

    Gibt es vielleicht Kopfgeld wenn ich meinen Nachbarn anschwärze, weil er mir gesteckt hat trotz Grenzwertüberschreitung keinen Cent zu bezahlen?


    Wie finden sich Eurer Meinung nach diese "hinreichenden Anhaltspunkte"? Sind dies nicht schon wieder Gründe, Einkommen- Vermögen usw. schön zu rechnen, Zinsgewinne zu vertuschen,usw. besonders wenn die 100.000er Grenze knapp überschritten wurde?


    Gruß

    ~Exo~



  • was ein hinreichender Anhaltspunkt ist und was nicht entscheidet das Amt


    Gängige und oft genannte Beispiele: der UHP ist ein Profi-Fußballer oder ein Filmstar oder ein DAX-Vorstandsvorsitzender oder ein Chefarzt.


    Weniger oft genannte Beispiele: der UHP ist ein selbständiger Anwalt oder Architekt oder ein Arzt mit eigener Praxis


    Noch seltener genannte Beispiele der gut ausgebildete UHP arbeitet bei einem Unternehmen, dass "im Verdacht" steht seine Mitarbeiter sehr gut zu bezahlen: eine Investmentbank, ein Sportwagenhersteller, ein Chemie-Riese

    Abkürzungen: UHP = Unterhaltspflichtige(r), UHB = Unterhaltsberechtigte(r), RWA = Rechtswahrungsanzeige, SHT = Sozialhilfeträger, AVV = Altersvorsorge(schon)vermögen


  • falls das Amt und der UHP unterschiedlicher Meinung sind, entscheidet das Gericht was ein Anhaltspunkt ist und was nicht

    Abkürzungen: UHP = Unterhaltspflichtige(r), UHB = Unterhaltsberechtigte(r), RWA = Rechtswahrungsanzeige, SHT = Sozialhilfeträger, AVV = Altersvorsorge(schon)vermögen


  • Gängige und oft genannte Beispiele: der UHP ist ein Profi-Fußballer oder ein Filmstar oder ein DAX-Vorstandsvorsitzender oder ein Chefarzt.


    Weniger oft genannte Beispiele: der UHP ist ein selbständiger Anwalt oder Architekt oder ein Arzt mit eigener Praxis


    Noch seltener genannte Beispiele der gut ausgebildete UHP arbeitet bei einem Unternehmen, dass "im Verdacht" steht seine Mitarbeiter sehr gut zu bezahlen: eine Investmentbank, ein Sportwagenhersteller, ein Chemie-Riese


    Die unterste Kategorie sind m. M. nach auch die, die davon betroffen wären und nicht die Berufsgruppen, die sowieso Millionen verdienen.

    Deren Angehörige werden zu 99,9% keine Sozialhilfe notwendig haben. D.h. wer viel Kohle hat und evtl. auch in der Öffentlichkeit steht, wird es weiterhin nicht interessieren. Das Band der tatsächlich Unterhaltpflichtigen wird also ganz schmal werden... Ich schätze einfach mal bei einem Verdienst von 100.000 bis ca. 200.000 EUR. Danach wird das Thema Sozialamt und Unterhalt kaum Relevanz haben, da man entweder selbst für die Angehörigen sorgt, bzw. sorgen lässt. (Ausnahme: schlechtes Verhältnis, Entfremdung, etc.)


    Die kleine Gruppe der unmittelbar Betroffenen wird dann auch noch einen Weg finden, den "Überhang" wegzurechnen. Man darf gespannt sein :-)


    Gruß

    ~Exo~

  • Es werden wie bisher alle Einkommensarten abgefragt werden mit entsprechender Dokumentation.

    Was der Sachbearbeiter daraus macht, kann man nicht vorhersagen. Ich denke aber, dass auch in den Ämtern Aufwand (lt. Gesetzentwurf) gespart werden soll und nicht zusätzlicher Aufwand betrieben. Aber es sind eben Ämter! ;=)



  • Zunächst zu den Kategorien :)

    ich sehe keinen großen Unterschied zwischen einem selbständigen Architekten oder Juristen und einem Chemie-Akademiker




    Zum Thema

    >> den "Überhang" wegzurechnen.


    Wenn jemand 110-120T Euro im Jahr verdient, müßte es stand heute möglich sein "unter 100" zu kommen, z.B. durch berufsbedingte Aufwendungen oder durch "Umschichtung" des Einkommens was manche Arbeitgeber möglich machen oder durch "weniger Arbeiten mit ärztlicher Bescheinigung".

    Man muß schon sagen, dass es nicht einfach ist Jahr für Jahr sagen wir zehn Tausend als berufsbedingte Aufwendungen aufzuweisen.


    Ich weiß nicht was passiert wenn so ein Falls tatsächlich mal vor Gericht kommt und der SHT nachweist, dass der UHP mehrere Tausend Euro in eine Weiterbildung auf Hawaii investiert hat und dann noch so viel in seine zukünftige Frührente oder Sabbatical.

    Und eine ärztliche Bescheinigung.. Erstens, hat sie naturgemäß nicht jeder UHP und ob ein Gericht nicht einen Gutachter bestellen kann..


    Nun nehmen wir ab, der UHP verdient tatsächlich 150.000 und "bis ca. 200.000 EUR", wie das mit den "Überhang" wegzurechnen funktionieren soll, ist mir wirklich nicht ganz klar. Insbesondere wenn es um eine jahrelange Unterhaltspflicht gehen soll

    Abkürzungen: UHP = Unterhaltspflichtige(r), UHB = Unterhaltsberechtigte(r), RWA = Rechtswahrungsanzeige, SHT = Sozialhilfeträger, AVV = Altersvorsorge(schon)vermögen


  • Wie finden sich Eurer Meinung nach diese "hinreichenden Anhaltspunkte"? Sind dies nicht schon wieder Gründe, Einkommen- Vermögen usw. schön zu rechnen, Zinsgewinne zu vertuschen,usw. besonders wenn die 100.000er Grenze knapp überschritten wurde?




    beispiel Hamburger SHT, alte Regelung bis zum 19.02.2019

    Zitat

    „Liegen Anhaltspunkte vor, die auf ein Einkommen von mehr als 100.000 Euro jährlich schließen lassen?“

    Anhaltspunkte für ein sehr hohes Einkommen sind beispielsweise dann gegeben, wenn die Kinder oder Eltern in herausgehobener Position beruflich tätig sind (Chefärzte, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte). Auch Zusätzliche Einnahmequellen neben den Geldmitteln, die aus der beruflichen Tätigkeit erwirtschaftet werden (Miet- und Pachteinnahmen) können ein Indiz im Sinne dieser Vorschrift darstellen. Auch Hinweise auf selbständige berufliche Tätigkeit nicht geringen Umfanges sollten ausreichend sein, um im nächsten Schritt von den Unterhaltsverpflichteten Auskünfte zu erlangen.

    Abkürzungen: UHP = Unterhaltspflichtige(r), UHB = Unterhaltsberechtigte(r), RWA = Rechtswahrungsanzeige, SHT = Sozialhilfeträger, AVV = Altersvorsorge(schon)vermögen


  • Auf Basis der bislang vorliegenden Informationen hier kurz meine Einschätzung was bisher im Gesetzgebungsprozess geschah und wie es vermutlich weitergeht:


    Die im Koalitionsvertrag verhandelten Punkte liegen jeweils bei einem federführenden Ministerium - in unserem Fall das BMAS. Üblicherweise wird zunächst auf Referatsebene ein Entwurf erarbeitet ("Referententwurf"). Dieser wird zunächst mehrfach überarbeitet, da die Positionen unterschiedlicher Beteiligter eingeholt, berücksichtigt & abgestimmt werden. Da die "relevanten" Minister (Gesundheit, Arbeit, Familie) die Maßnahmen öffentlich gemeinsam verkündet haben ist davon auszugehen, dass die Abstimmung zwischen den Ministerien abgeschlossen ist. Dafür spricht die gestrige Veröffentlichung des Referententwurfes auf der Website des BMAS. Das ist ein gutes Zeichen!


    Nun muss der Entwurf noch im Bundeskabinett diskutiert und beschlossen werden. Dann wird er auch formal zum Regierungsentwurf. Das erfolgt in der Regel in der Kabintettssitzung, die in der Regel Mittwochs stattfinden. Die Protokolle der Sitzungen finden sich online hier.


    Sobald unser Thema hier beschlossen wird, hat es einen weiteren sehr wichtigen Meilenstein genommen. Da das Thema "Pflege" auf der Agenda auf der heutigen Klausurtagung der Regierungsfraktionen steht (Link) ist davon auszugehen, dass weitere Schritte bald erfolgen könnten.


    Allerdings erwarte ich vor September kein verabschiedetes Gesetz. Das ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass der Bundestag nur noch eine Sitzungswoche vor der Sommerpause hat und dann erst wieder im September zusammen tritt und zudem noch einige Prozessschritte bis zur finalen Gesetzgebung zu absolvieren sind. Etwas Geduld müssen wir also wohl schon noch haben.

  • doch, dieser Aspekt ist ausnahmsweise fast komplett gesetzlich geregelt, und somt vorhersehbar

    Aus eigener Erfahrung bin ich mir da sicher, dass da in Einzelfällen eben nichts sicher ist.
    Beispiel: die von der DRV bescheinigte Rente wurde um ca. 150 Euro höher angesetzt (bis heute nicht berichtigt)!

    Wenn das beim Einkommen ebenso gemacht wird, rutscht der eine oder andere mal eben doch über die möglichen 100.000. ;=)

  • Aus eigener Erfahrung bin ich mir da sicher, dass da in Einzelfällen eben nichts sicher ist.
    Beispiel: die von der DRV bescheinigte Rente wurde um ca. 150 Euro höher angesetzt (bis heute nicht berichtigt)!

    die "alte" Willkür wird es nicht mehr geben bei der Berechnung 100.000 € Grenze, dafür gibt es eindeutige Gesetze

  • die "alte" Willkür wird es nicht mehr geben bei der Berechnung 100.000 € Grenze, dafür gibt es eindeutige Gesetze

    Dein Wort in Gottes Ohr! ;=)

    Wie ist denn Deine Meinung hinsichtlich des Umgangs von Einkommen/Vermögen des UP und seines Ehegatten (verrentet) bei einer Einkommens-Grenze des UP von 100.000 Euro?

    a) ist nur das Einkommen des UP zu betrachten?
    b) wann ist das Vermögen des UP zu betrachten?
    c) spielt das Einkommen des Ehegatten eine Rolle?
    d) und/oder sein Vermögen?

    Ich weiß schon, darüber kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren, das Gesetz gibt es ja noch nicht. ;=)

    LG

  • Ja, das ist auch gut so. Diese Einzelfallbehandlung musste, egal wie, jedenfalls zur Ausnahme werden und nicht wie bisher zur Regel. Allerdings musste ich bei manchen Dingen dann doch leicht schmunzeln...


    z.B. die ersparte zeitliche Aufwandsberechnung für den UHP von 30 Min. - 3h für die Aufbereitung der Daten. 30 Min. wenn man einfach seine Lohnsteuerbescheinigung "abkupfert" bis 3h wenn man noch paar Extras wie Wohneigentum oder Zinseinnahmen zusammensuchen muss.


    Geht man hier jetzt tatsächlich davon aus, dass 99% der UHPs ohne Nachzudenken den vorgefertigten SA Schrieb ausfüllen, unterschreiben und das Ergebnis dann einfach akzeptieren? Wenn dies die Regel wäre, kann aber von echter Aufwandsersparnis nicht die Rede sein. Die tatsächlichen Aufwände dürften auf beiden Seiten deutlich höher anzusetzen sein.


    Wie dem auch sei... Wusste nicht, dass Politik auch spannende Seiten hat. Sollte vielleicht doch nicht nur die BILD als einzigstes Infomedium konsumieren ^^


    Gruß

    ~Exo~

  • Wie ist denn Deine Meinung hinsichtlich des Umgangs von Einkommen/Vermögen des UP und seines Ehegatten (verrentet) bei einer Einkommens-Grenze des UP von 100.000 Euro?

    wie bei der "alten" Grundsicherung, es gelten nur die jeweiligen Einkünfte des Unterhaltspflichtigen, abzüglich der jeweiligen Werbungskosten,

    Vermögen ohne Relevanz

  • z.B. die ersparte zeitliche Aufwandsberechnung für den UHP von 30 Min. - 3h für die Aufbereitung der Daten. 30 Min. wenn man einfach seine Lohnsteuerbescheinigung "abkupfert" bis 3h wenn man noch paar Extras wie Wohneigentum oder Zinseinnahmen zusammensuchen muss.

    der Steuerbescheid sollte in der Regel ausreichend sein


    wer Arbeitseinkommen hat, sollte die Jahreslohnsteuerbescheinigung ausreichend sein