Angehörigen-Entlastungsgesetz - "100.000 Euro"-Grenze in der Sozial- und Eingliederungshilfe

  • Die erwähnte Klausurtagung der Regierungsfraktionen ist nun beendet und ein Beschlusspapier der Tagung liegt vor. Konkret ist man sich einig, die Bundesregierung aufzufordern, Maßnahmen der vergangenen Woche vorgestellten "konzertieren Aktion Pflege" - in deren Fahrwasser ja auch das Angehörigen-Entlastungsgesetz schwimmt - zügig umzusetzen (Link). Das Gesetz bzw. die "100.000-Euro-Grenze" wird bei den konkreten Forderungen an die Bundesregierung allerdings nicht erwähnt aber das muss m.E. nicht zwangsweise negativ sein.


    Der nächste Meilenstein den es nun zu nehmen gilt, wäre der Beschluss des Gesetzentwurfs in einer der nächsten Sitzungen des Kabinetts (=der Bundesregierung). Sollte dies passieren, sähe ich eine recht große Wahrscheinlichkeit dass das Vorhaben ein für uns gutes Ende nimmt. Daumen drücken!

    Und es geht weiter: Am Mittwoch soll nun tatsächlich ein Gesetz zur besseren Bezahlung in der Pflege im Bundeskabinett beschlossen werden. Die Finanzierung ist aber wohl noch nicht geklärt. Dass hat aus meiner Sicht zwei direkte Konsequenzen:


    1. Es kommt Druck auf den Kessel, da das Thema Elternunterhalt bzw. Belastung von Angehörigen dadurch um einiges akuter werden sollte, da die Kosten der Pflege entsprechend steigen werden und mehr Menschen in größerem Umfang davon betroffen sein werden. Erste Verbände verweisen bereits darauf, dass Angeörige und Pflegebedürftige nicht weiter belastet werden dürfen. Heil hat hierzu die 100.000 Grenze wohl erneut betont. Ob das Angehörigenentlastungsgesetz ebenfalls bereits am Mittwoch im Kabinett disktuiert wird oder später, ist nicht klar.


    2. Das Angehörigenentlastungsgesetz wird entsprechend teurer und durch die mangelende Gegenfinaizierung der steigenden Kosten wird der weitere Prozess schwerer zu kalkulieren. Es werden sich nun einige Spieler (Kommunen, Länder, Verbände, Sozialversicherungsträger etc) positionieren und die Opposition - zumindest Grüne und FDP - bringt sich gegenüber dieser offenen Flanke leider bereits in Stellung.


    Hoffen wir mal, dass die Regierungsparteien hier geschlossen bleiben - aufgrund der nach wie vor nicht geklärten Finanzierung - ist das wohl noch nicht 100% sicher. Mir persönlich wäre es lieber gewesen, dass das Angehörigenentlastungsgesetz unterm Radar durchfliegt aber bislang sind wir hier ja noch gut auf Kurs. Weiter Daumen drücken!

  • zumindest Grüne und FDP - bringt sich gegenüber dieser offenen Flanke leider bereits in Stellung.

    Bis jetzt habe ich noch noch nichts darüber gelesen, dass die beiden dagegen sind. Wenn man mal auf der Abgeornetenwatch sich die Antworten der Opposition durchliest ( https://www.abgeordnetenwatch.…date%5B1%5D=&answered=all ) dann spricht dort auch nicht jeder dagegegen.

  • Bis jetzt habe ich noch noch nichts darüber gelesen, dass die beiden dagegen sind. Wenn man mal auf der Abgeornetenwatch sich die Antworten der Opposition durchliest ( https://www.abgeordnetenwatch.…date%5B1%5D=&answered=all ) dann spricht dort auch keiner dagegegen.

    Falls das Angehörigenentlastungsgesetz nicht als isolierte Einzelmaßnahme behandelt wird, sondern Teil eines Gesamtkonzepts wird (was eigentlich ja auch schon sinnvoll ist), werden die Karten ggf. neu gemischt:


    Die Grünen-Fraktionssprecherin für Pflegepolitik, Kordula Schulz-Asche, sagte, es sei "unverantwortlich, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, ohne vorzuschlagen, wie zusätzliche finanzielle Belastungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen verhindert werden können". Die pflegepolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Nicole Westig, betonte, die Bundesregierung drücke sich um die Klärung der Finanzierungsfrage. "Bei Mehrausgaben von bis zu fünf Milliarden Euro muss ein klares Konzept zur Gegenfinanzierung vorgelegt werden." Insgesamt seien die von Heil geplanten Maßnahmen "verfassungs- und tarifrechtlich höchst bedenklich", weil in die Tarifautonomie eingegriffen werde. (Link)

    Man muss betonen: Es geht hier momentan nicht um das Angehörigenentlastungsgesetz im engeren Sinn, sondern um die Frage der Gegenfianzierung der steigenden Kosten der Pflege aufgrund besserer Bezahlung. Ob diese Themen künftig weiter getrennt voneinander diskutiert werden wird sich zeigen.


    Insgesamt ist es noch deutlich zu früh, Implikationen abzuschätzen. Es wird in den kommenden Tagen und Wochen klarer werden wo die Reise hingeht.

  • Nein! Die Sicht ist hinsichtlich des Einkommens ausschließlich auf den UP gerichtet.

  • Guten Abend in die Runde,


    ich hatte heute ein informelles Gespräch mit einem schon seit drei Jahren von EU-Betroffenen. Er zahlt die vom Amt erstelle erste Berechnung ohne wenn und aber. Nach zwei Jahren wurde eine neue Auskunft eingefordert und sein EU-Anteil stieg entsprechen seiner höheren Leistungsfähigkeit die auch durch eine höhere Steuererstattung entstand. Soweit so klar. Nun haben wir folgendes Problem.

    Sollte das neue Gesetz kommen und man teilt dem Amt mit, das man unter die Grenze fällt, muss man das sicher auch belegen.

    Womit wir beim Steuerbescheid wären. Seine letzte Auskunft stammt aus 12/18 (Steuerbescheid für 2017), er wäre also eigentlich erst 12/20 zur Auskunft dran. Wenn man aber im Steuerbescheid (für 2018) zwar die 100.000€ unterschreitet, sieht das Amt aber auch seine Erstattung und wird sicher für das letzte Jahr nochmal zugreifen, also den EU-nachberechnen. Eine eher ungünstige Lösung.

    Frage: Gibt es noch eine andere Möglichkeit dem Amt die Unterschreitung der 100.000€ nachzuweisen?

    Ich denke da an den elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2019!

    Hier sind zwar die Werbungskosten noch abzugsfähig, könnte aber bei vielen Betroffenen schon den Deckel drauf machen, ohne dem Amt noch mal einen direkten Hinweis auf die Steuererstattung zu geben.

    Was meinen die Fachkräfte dazu?

    Ist es wirklich nötig, dem Amt etwas mitzuteilen, denn es gilt ja die Vermutung, das man unter der Grenze liegt?

    Für laufende Verfahren liegen dem Amt ja auch schon hinreichend Zahlen vor. Nur in Grenzfällen wäre doch da Handlungsbedarf.


    LG frase

  • Ich bin mir da nicht so sicher, da ich glaube dass wir es ggf. mit zwei Konzepten zu tun haben:


    Wie Unikat zurecht anmerkt, sollte nach meiner Kenntnis eine Steuererstattung nicht das steuerrechtliche Gesamteinkommen nach §16 SGB IV erhöhen. So wie ich das Gesetz verstehe, hebt es genau auf diese Grenze ab bei der Frage ob man Unterhaltspflichtig ist. Ist mein Bruttoeinkommen also bei 99.999 Euro und ich erhalte eine Steuerstattung von 5.000 Euro bin ich außen vor.


    Andererseits gilt auch im Unterhaltsrecht das Zuflussprinzip nach dem eine Steuerstattung die Leistungsfähigkeit des Betroffenen erhöht und bei der Berechnung des Einkommens durchaus im Jahr des Zufluss zu berücksichtigen ist. Falls man also über der 100.000 Euro Grenze ist und unterhaltspflichtig ist, sollte dies also vereinfacht gesagt einen Einfluss darauf haben wieviel Unterhalt man zahlen muss. Ist mein Einkommen also bei 100.001 Euro und ich erhalte eine Steuerstattung, sollte diese meine Leistungsfähigkeit und damit meine Unterhaltszahlungen erhöhen.


    Das Einkommen sollte man eigentlich wiederum durchaus einfach über die elektronische Lohnsteuerbescheinigung (Lohn) sowie die Jahressteuerbescheinigung der Banken (Kapital) nachweisen können. Andere Einkommensarten dann über andere geeignete Nachweise. Solange man hier nicht wissentlich Einkommen unterschlägt, sollte das doch kein Problem sein, oder?



  • Ich glaube es liegt ein Missvertändnis vor.


    Es geht um die Frage, wie (mit welchem Beleg) teile ich dem Amt mit, das ich unter 100.000€ liege.

    Im Januar 2020 liegt als letzter Steuerbescheid der für 2018 vor, Zufluss in 2019.

    Wer also in 2019 schon EU zahlt oder die RWA erhalten hat, kann nun damit rechnen, das ein Amt für diese Zeit (1-12/2019) die Erstattung als Einkommen berücksichtigt und den Regress für diesen Zeitraum auch noch anhebt.


    Unikat : bist du dir sicher, das man dem Amt überhaupt was mitteilen muss?

    Ein neues Gesetz bringt doch alle alten Berechnungen, auch Urteile in den Bereich der falschen Rechtsgrundlage.

    Müssten nicht alle Betroffenen sofort unter die Vermutung der "unter 100.00€ Einkommen fallen"?


    LG frase

  • Sorry, falls ich auf dem Schlauch stehe. Noch ist ja weder bzgl. Verwaltungsvorschriften noch bzgl. konkreter Ausgestaltungen etwas bekannt - daher nur hypothetisch:


    Würdest du in dem von dir geschilderten Fall dem Amt nicht -verkürzt - einfach mitteilen: "Ich verdiene weniger als 100.000 Euro" woraufhin die Rechtsgrundlage für eine Unterhaltspflicht entfällt und somit auch egal ist wann du welche Steuerrückerstattung bekommst?


    Dann würde doch die eletronische Lohnsteuerbescheinigung (+ggf. Jahressteuerbescheinigung etc) für 2018 ausreichen aus der hervorgeht, dass du in 2018 unter 100.000 Euro liegst. Dann sollte es doch nach dem gesunden Menschenverstand (ja, ja ich weiß) ausreichen in 2019 dem Amt eine aktuelle Lohnsteuerabrechnung (z.B. Juni) auf der ja dein Monatsbrutto und die kumulierten Jahresbruttobeträge ausgeweisen sind, wenn man davon ausgehend extrapolieren kann (das sollte bei den meisten Angestellten ja relativ einfach möglich sein) dass du auch in 2019 weiterhin unter 100k bleibst.


    Auf welcher Grundlage sollte das Amt denn dann etwas von dir fordern können?


    EDIT: ...wobei für 2019 ja sowieso die "alte" Rechtslage gilt. Da spielt die 100.000 Euro Grenze ja keine Rolle, oder? Hier könnte man ggf. maximal darüber nachdenken seine Steuererklärung später zu machen, so dass die Zahlung 2020 zugeht.

  • die 100.000 Grenze ist wie ein erhöhter Selbstbehalt zu betrachten

    Puh, das ist eine Aussage, da bekommen aber alle über 100.00€ Brutto Bauchschmerzen.

    Korrigiere mich bitte, wenn ich hier völlig falsch liege.

    Betroffene über 100.000€ Brutto haben doch dann den gleichen, alten Selbstbehalt von 21600€ Netto.

    Das bedeutet in der Praxis ändert sich für diese Beroffenen nichts am Verfahren der Berechnung.

    Damit ist aber für diese Personen kein höherer Selbstbehalt gegeben.

    Habe ich was übersehen?


    LG frase

  • Hi,


    1) Sämtliche Steuererstattungen sollten versucht werden ins Jahr 2020 zu schieben.

    2) Sämtliche Steuerzahlungen, sollen versucht werden noch in 2019 gelten zu machen, sofern gerade in der Prüfung

    3) Wird derzeit EU gezahlt, kann die Zahlung im Januar 2020 eingestellt werden, mit einer formlosen Mitteilung, natürlich gibt es ein neues Auskunftsersuchen

    4) Die Lohnsteuerbescheinigung reicht nur, wenn aus den Akten nur Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit hervorgehen.
    5) Ab 2020 geht es primär um das Einkommen ( - Werbungskosten) , nicht mehr um Steuererstattungen, Sonderausgaben ect.

    lg

  • Müssten nicht alle Betroffenen sofort unter die Vermutung der "unter 100.00€ Einkommen fallen"?



    So pauschal stimmt es nicht.

    Weil der SHT bei vorliegenden "Anhaltspunkten" die potenziellen UHP weiterhin überprüfen kann (wurde hier im Forum schon mehr oder weniger ausführlich diskutiert)

    Abkürzungen: UHP = Unterhaltspflichtige(r), UHB = Unterhaltsberechtigte(r), RWA = Rechtswahrungsanzeige, SHT = Sozialhilfeträger, AVV = Altersvorsorge(schon)vermögen


    Einmal editiert, zuletzt von Meg ()

  • ich hatte heute ein informelles Gespräch mit einem schon seit drei Jahren von EU-Betroffenen. Er zahlt die vom Amt erstelle erste Berechnung ohne wenn und aber. Nach zwei Jahren wurde eine neue Auskunft eingefordert und sein EU-Anteil stieg entsprechen seiner höheren Leistungsfähigkeit die auch durch eine höhere Steuererstattung entstand. Soweit so klar. Nun haben wir folgendes Problem.

    Sollte das neue Gesetz kommen und man teilt dem Amt mit, das man unter die Grenze fällt, muss man das sicher auch belegen.

    Womit wir beim Steuerbescheid wären. Seine letzte Auskunft stammt aus 12/18 (Steuerbescheid für 2017), er wäre also eigentlich erst 12/20 zur Auskunft dran. Wenn man aber im Steuerbescheid (für 2018) zwar die 100.000€ unterschreitet, sieht das Amt aber auch seine Erstattung und wird sicher für das letzte Jahr nochmal zugreifen, also den EU-nachberechnen. Eine eher ungünstige Lösung.

    Frage: Gibt es noch eine andere Möglichkeit dem Amt die Unterschreitung der 100.000€ nachzuweisen?

    Ich denke da an den elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2019!


    Das Amt wird "das letzte Jahr nochmal zugreifen, also den EU-nachberechnen" ?

    Das würde mich in dem Fall wundern. Normalerweise versuchen die SHT sowas nicht, da die alte Berechnung des Unterhalt bis zur nächsten Überprüfung gilt. Ich glaube nicht, dass das Amt eine rechtliche Grundlage hätte für "das letzte Jahr" mehr Unterhalt nachträglich zu fordern.


    Eine Vorlage "elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2019" sollte m.E. reichen, wenn man dem SHT glaubhaft machen kann, dass der UHP keine weiteren Einkünfte hat.


    grüße,

    m

    Abkürzungen: UHP = Unterhaltspflichtige(r), UHB = Unterhaltsberechtigte(r), RWA = Rechtswahrungsanzeige, SHT = Sozialhilfeträger, AVV = Altersvorsorge(schon)vermögen