Nachehelicher Unterhalt bei erwerbsunfähigem, jedoch vermögenden Ex-Partner

  • Folgender Fall: Annette (52) und Bernd (52) werden nach 29 Ehejahren geschieden. Die beiden gemeinsamen erwachsenen Kinder verdienen ihr eigenes Geld.


    Annette ist krankheitsbedingt erwerbsunfähig und erhält daher seit einigen Jahren EU-Rente. Nun fordert Annette nachehelichen Unterhalt von Bernd ein.


    Annette jedoch ist sehr vermögend (Erbe, Lottogewinn), hat jedoch fast keine Einkünfte aus diesem Kapital, da derzeit quasi Null-Zins-Politik herrscht.
    Ihr tatsächlichen Einkünfte beschränken sich daher auf die EU-Rente. Sie lebt mietfrei in einer elterlichen Immobilie.


    Bernd verdient in seinem Beruf gerade mal soviel, dass er seine Fixkosten bestreiten kann. Der Selbstbehalt reicht gerade mal für die Miete.


    Meine Frage hierzu: Inwieweit kann man Annette nun eine Bedürftigkeit zugestehen, welche ja Voraussetzung für nachehelichen Unterhalt ist?

    Immerhin ist Annette ja sehr viel vermögender als Bernd. Außerdem wird sie vermutlich in einigen Jahren ihre ebenso vermögenden Eltern beerben.


    Kann Annette dazu gezwungen werden, ihr beträchtliches Vermögen für ihren eigenen Unterhalt einzusetzen, um Bernd vor einer drohenden Armut im Alter zu schützen?


    Vielen Dank für Euer Ratschläge

  • Hi,


    normalerweise rate ich immer, erst einmal zu schauen, ob überhaupt ein anspruch besteht. Hier drehe ich das mal ausnahmsweise um. Wieviel verdienst du denn, bezogen auf 12 Monate , Einkommen bereinigt? Wie hoch ist ihre Rente, auch bereinigt? Das wäre der Einstieg. Denn es kann durchaus sein, dass die ganze Rechnerei nicht lohnt, einfach, weil du zu wenig verdienst.


    Herzlichst


    TK

  • Hallo Timekeeper,


    Du hast natürlich recht, zum Berechnen, ob sich die ganze Sache für Annette überhaupt lohnt, ist ihre von ihrem Anwalt berechnete monatliche Forderung auf Unterhalt ausschlaggebend.


    Was bei dieser Berechnung aber leider nicht berücksichtigt wird, sind die tatsächlichen Lebenshaltungskosten von Bernd wie Miete, Nebenkosten, Lebensmittel, Auto, Ratenkredite, Sport, Internet, Telefon, Kino, Lotto, Essengehen, Urlaub usw., welche man eben auch nicht von der Steuer absetzen kann, aber zu einem halbwegs lebenswerten Leben nun mal dazugehören.


    Während Annette gut und gerne die nächsten 250 Jahre von ihrem Vermögen leben könnte, bleibt Bernd im besten Fall nach Abzug des Selbstunterhalts und dieser Kosten monatlich eine schwarze Null, ohne Aussicht auf weitere Altersvorsorge (wobei hierfür in seinem Alter der Zug ohnehin schon abgefahren ist).


    Deshalb bleibt meine anfänglich gestellte Frage und noch weitere:


    - Welche Kriterien entscheiden darüber, ob Annette ihr Privatvermögen zur Lebenshaltung einsetzen muss?

    - Kann im Zuge dessen Annette gezwungen werden, ihre tatsächlichen Vermögensverhältnisse offen zu legen?

    - Würde Annette ihren Anspruch verwirken, wenn sie Einkünfte aus Schwarzarbeit bezöge?


    Herzlichst, A7

  • Hi,


    die Kosten, die du da anführst, die sind im Selbstbehalt enthalten. Aber, in so Fällen ist meine erste Frage, ob denn ein Zugewinnausgleich stattgefunden hat? Denn z.B. der Lottogewinn, so er denn in der Ehe erfolgte, ist ja Zugewinn. Ebenfalls Zinsen, wir hatten ja nicht immer die Zinssituation wie heute. Das solltest du mal überprüfen. Im übrigen scheinst du ja auf hohem Level zu leben, wenn ich allein deinen Mietzins ansehe.


    Nun zur eigentlichen Frage. Einkommen aus Vermögen ist Unterhalt. Und es gibt durchaus Anlagemöglichkeiten, welche noch Zinsen bringen, und zwar nicht nur hoch spekulative. Mir fällt da als erstes auch z.B. eine Immobilie ein, andere Beteiligungsformen an was auch immer. Natürlich kann man niemanden zwingen, sich aktiv um sein Vermögen zu kümmern, kann man auch zu Hause unterm Kopfkissen bunkern und sich am täglichen Durchzählen freuen. Aber, dann wird mit fiktivem Einkommen gerechnet. Wie das im Einzelfall aussieht, das kann ich hier nicht abschätzen. Der Vermögensstamm muss in der Regel nicht angegriffen werden, deshalb ja die Ertragsregelung. Um eine solche Berechnung vornehmen zu können, sollte man schon wissen, was da ist. Sonst kann man ja nicht rechnen.


    Schwarzarbeit ist kein Verwirkungsgrund bei dir, aber dieses Einkommen geht natürlich auch in die Berechnung ein, als Einkommen.


    Was ich nicht verstehe, das ist, dass das alles nicht im Rahmen des Scheidungsverfahren geregelt wurde. Wie lange seid ihr denn geschieden? Wann wurden in diesem Zusammenhang die Unterhaltsforderungen gestellt? Das wäre ganz wichtig zu wissen. Könnte nämlich sein, dass die Unterhaltskette unterbrochen ist, dann ist ohnehin Schluß, dann brauchen wir hier überhaupt nicht mehr zu rechnen.


    Also, schiebe noch ein paar konkrete Angaben nach. Danke dir!


    Herzlichst


    TK

  • Hallo TK,


    >>in so Fällen ist meine erste Frage, ob denn ein Zugewinnausgleich stattgefunden hat

    Ja, das hat er.


    >>Denn z. Bsp. der Lottogewinn, so er denn in der Ehe erfolgte, ist ja Zugewinn

    Nein, denn der erfolgte, als die beiden noch nicht verheiratet waren.


    >>Im übrigen scheinst du ja auf hohem Level zu leben, wenn ich allein deinen Mietzins ansehe

    Nicht unbedingt, wenn man weiterhin in einer Großstadt mit halbwegs guter Anbindung an den ÖPNV zum Arbeitgeber leben möchte.


    >>Der Vermögensstamm muss in der Regel nicht angegriffen werden.

    Genau das ist meine anfangs gestellte Frage. Welche Regelungen greifen hier?


    >> Wann war die Scheidung

    Vor einem Jahr.


    >Wann wurden in diesem Zusammenhang die Unterhaltsforderungen gestellt

    Gleichzeitig mit der Scheidung. Eine Unterbrechung der Unterhaltskette ist daher nicht gegeben.


    Herzlichst

    A7