Geschwisterquote bei einem Kind über der Grenze

  • Hallo in die Runde,


    ich bin über folgende Aussagen der Verbraucherzentrale gestolpert:


    "Gibt es mehrere Geschwister, von denen mindestens eins ein Jahresbrutto von mehr als 100.000 Euro hat, wird es komplizierter:

    1. Im ersten Schritt wird dann ausgerechnet, wie viel Unterhalt jeder anteilig unter Berücksichtigung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bezahlen müsste. Die Unterhaltspflicht wird also entsprechend der finanziellen Möglichkeiten der Kinder aufgeteilt - und nicht einfach durch die Anzahl der Kinder geteilt. Es kann sein, dass Kinder mit hohem Einkommen mehr Unterhalt bezahlen müssten als Geschwister, die weniger zur Verfügung haben.
    2. Im zweiten Schritt wird dann geprüft, welches Geschwisterkind überhaupt über den 100.000 Euro Jahresbrutto liegt. Denn den im ersten Schritt errechneten Anteil muss nur zahlen, wer auch in die Unterhaltspflicht fällt. Es kann sein, dass einige Kinder Unterhalt zahlen müssen, während ihre Geschwister nicht dazu verpflichtet werden."

    Dazu hätte ich mal eine Frage:


    Wenn der oben beschrieben Fall vorliegt, dann müssten ja auch Geschwister unter 100.000€ Auskunft erteilen obwohl vermutlich keine Anhaltspunkte vorliegen, ist das so?


    VG frase

  • Hi,


    ist wie häufig mißverständlich. Grundsätzlich werden die Einkommen beider Unterhaltsverpflichteten zusammengezäht, um den Unerhaltsanspruch der Berechtigten zu ermitteln. Dann wird gequotelt. Der Anteil des Geringverdieners ist dann nur ein Rechenfaktor. Und, der des anderen ist nach oben gedeckelt. Einmal durch die nunmehr gesetzlich vorgesehene Grenze, aber auch durch die allg. Unterhaltsregel, dass letztlich durch die Berechnung niemand schlechter gestellt werden soll, als es bei einer Einzelberechnung wäre.


    Herzlichst


    TK

  • Hallo Tk,


    danke für deine Einschätzung. Ich wollte eigentlich auf zwei Sachverhalte hinaus.


    1. Bei dieser Berechnung ist die Auskunft aller Geschwister erforderlich, wie geht das mit der "Unschuldsvermutung" man liegt unter der Grenze?

    2. Bisher bin ich davon ausgegangen, wer über der Grenze liegt zahlt alles, nach seiner Leistungsfähigkeit und die anderen Geschwister sind befreit.

    durch die allg. Unterhaltsregel, dass letztlich durch die Berechnung niemand schlechter gestellt werden soll, als es bei einer Einzelberechnung wäre.

    Wo hast du diese Information her, gilt die auch beim EU?


    VG frase

  • Wenn der oben beschrieben Fall vorliegt, dann müssten ja auch Geschwister unter 100.000€ Auskunft erteilen obwohl vermutlich keine Anhaltspunkte vorliegen, ist das so?

    es steht alles in § 94 Abs. 1a SGB XII, das bedeutet


    nur wenn Anhaltspunkte vorliegen, dann kann von jedem Geschwisterteil Auskunft gemäß § 117 SGB XII verlangt werden


    liegt nur ein Geschwisterteil über der Grenze, dann kann nur dieses Geschwisterteil entsprechend der Leistungsfähigkeit herangezogen werden, die anderen "ärmeren" Geschwister spielen dann überhaupt keine Rolle mehr, so einfach ist die Rechtslage

  • Hallo frase,


    von wann ist denn die Veröffentlichung?


    In der Praxis wird es so gehandhabt:


    Liegt das Einkommen eines Kindes über 100.000,00 € werden alle zur Auskunft aufgefordert und für alle wird eine Unterhaltsberechnung erstellt.

    Zahlen muss nur das Kind, mit dem Einkommen über 100.000,00 €.

    Liegt die Summe aller Einkünfte über 100.000,00 €, wird quotiert, d.h. auch das Kind über 100.000,00 € zahlt nur den Betrag, den es zahlen müsste, wenn alle zahlen würden (ich hoffe, das ist so verständlich).

    Das Kind mit mehr als 100.000,00 € zahlt eben nicht einfach alles oder den vollen für sie bzw. ihn errechneten Unterhaltsbetrag.

    Das wird bereits bei der Grundsicherung so gehandhabt.


    Der Auskunftsanspruch gegen die anderen Kindern muss dann ggf. gerichtlich durchgesetzt werden, wenn die nicht verstehen (wollen) dass sie tatsächlich gar nicht zahlen müssen und es "nur" um die Unterhaltshöhe für das Geschwisterkind geht.


    BGH v. 08.07.2015 - XII ZB 56/14
  • Liegt das Einkommen eines Kindes über 100.000,00 € werden alle zur Auskunft aufgefordert und für alle wird eine Unterhaltsberechnung erstellt.

    dies ist rechtlich völliger Blödsinn, denn es gilt § 94 SGB XII


    "Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist §117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.“


    im Klartext, nur wenn das Sozialamt bei einem Geschwisterteil hinreichende Anhaltspunkte zur Überschreitung der 100.000 € Grenze hat, kann von diesem Auskunft verlangt werden

    > es gibt keinen allgemeinen Auskunftsanspruch mehr

  • Zahlen muss nur das Kind, mit dem Einkommen über 100.000,00 €.

    Liegt die Summe aller Einkünfte über 100.000,00 €, wird quotiert, d.h. auch das Kind über 100.000,00 € zahlt nur den Betrag, den es zahlen müsste, wenn alle zahlen würden (ich hoffe, das ist so verständlich).

    auch diese Aussage ist falsch, denn das Kind über der Grenze liegt zahlt gemäß gemäß seiner Leistungsfähigkeit, es gibt keine Quotierung


    dies ist schon wegen fehlender Auskunft nicht möglich, wenn das Sozialamt nur bei einem Kind keine Auskunft verlangen kann, weil keine Anhaltspunkte vorliegen

  • wenn es mehrere Geschwister gibt, und mind. 2 davon liegen über der 100.000 € Grenze, dann gibt es nur eine Quotierung zwischen den "reichen" Geschwistern

    ein Beispiel dazu:


    es gibt 4 Geschwister, davon liegen 2 locker über der Grenze, wegen vorliegenden Anhaltspunkte kann Auskunft verlangt werden

    die beiden armen Geschwister liegen locker unter der Grenze, das Sozialamt kann keine Auskunft verlangen kann, weil die entsprechenden Anhaltspunkte nicht vorliegen,

    es liegt daher nur Auskunft für die reichen Geschwister vor, und auf dieser Basis wird ausschließlich quotiert

  • auch nach altem Recht wurde die Quotenberechnung ausschließlich für die Kinder angewandt, die entsprechend leistungsfähig waren

    Diejenigen Geschwister, deren Einkünfte unterhalb des Selbstbehaltes liegen und deren Vermögen unterhalb der Schongrenze liegt, scheiden bei der Berechnung der Haftungsanteile aus, denn sie müssen keinen Elternunterhalt zahlen.


    und dieser Grundsatz gilt selbstverständlich heute bei der 100.000 € Grenze, wer darunter liegt zahlt keinen Elternunterhalt, und ist somit nicht in die Haftungsanteile einzubeziehen


  • Danke für die Antworten,


    es zeigt sich, das es anscheinend unterschiedliche Auffassungen gibt.


    Unikat : folge ich deiner Auslegung der geltenden Gesetze, könnte es zu einer Benachteiligung des Besserverdieners kommen.

    Ehrlich gesagt habe ich es bisher auch so verstanden wie du.

    Wie siehst du in diesem Zusammenhang §1606 BGB Absatz 3 erster Satz?


    Gartenfee : wenn das Amt Anhaltspunkte für die Überschreitung eins Kindes hat und Auskunft verlangt, dann wäre es wirklich nur fair, wenn die anderen Geschwister bei der Berechnung berücksichtigt werden, auch wenn Sie dann ihren Anteil nicht zahlen müssen.

    Was aber, wenn ein Geschwisterteil dann nicht zur Auskunft bereit ist, da ja ein Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII Absatz 2 garnicht erfolgen kann?

    Das Amt wird hier doch sicher keinen Handlungsbedarf sehen, denn es könnte ja möglicherweise weniger Regress entstehen.


    VG frase

  • Was aber, wenn ein Geschwisterteil dann nicht zur Auskunft bereit ist, da ja ein Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII Absatz 2 garnicht erfolgen kann?

    Das Amt wird hier doch sicher keinen Handlungsbedarf sehen, denn es könnte ja möglicherweise weniger Regress entstehen.

    noch einmal zur Verdeutlichung, nur die Kinder deren Einkommen über der Grenze liegen, haben entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit Unterhalt zu zahlen

    gibt es 2 und mehr Kinder dann haften sie nach Anteilen, sog. Quotierung


    siehe § 1606 BGB

    "(3) Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen."


    Kinder, die unter der Grenze liegen, werden in keiner Weise einbezogen


    Auskunft haben nur die Kinder zu geben, wenn das Sozialamt die Vermutungsregel widerlegt, stellt sich dabei heraus, sie liegen unter der Grenze , dann

    1. haben sie keinen Elternunterhalt zu zahlen, und

    2. deren Einkunfts- und Vermögensverhältnisse spielen für evt. Haftungsanteile keine Rolle, nur die Haftenden unter sich

  • Hallo Meg,


    da war ich auch beteiligt, der Artikel der Verbrauerzentrale ist aber nach dem neuen Gesetz verändert worden (16.01.2020) und es geht mir hier genauer um die Geschwisterquote und nicht um die Grenze als solche.


    https://www.verbraucherzentral…uro-jahreseinkommen-28892


    Mehrere gleich nahe Verwandte haften anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen."


    Kinder, die unter der Grenze liegen, werden in keiner Weise einbezogen

    Wie soll das zusammenpassen, wenn ein Verwandter über der Grenze liegt und die anderen darunter?


    VG frase