Ist das neue AEG mit dem Grundgesetz vereinbar?

  • Hallo Foristen,


    im Januar 2020 trat das Angehörigenentlastungsgesetz (AEG) in Kraft.

    Es war ein langer und aufregender Prozess, der zu dieser Neuregelung in der Sozialhilfe führte.

    Ich habe die letzten 2 Jahre den Gesetzgebungsprozess begleitet, war auch bei Anhörungen im Bundestag, Bundesrat, habe Pro- und Kontraargumentationen verfolgt.

    Gegner der Neuregelung beriefen sich dabei auch auf das bestehende Grundgesetz, das hier nicht mit dem AEG vereinbar sei.

    Für mich war das aber eher ein Versuch, die entstehenden Kosten für die Länder und Kommunen, in Richtung Bund zu verschieben.

    Wer sich noch an die finale Abstimmung im Bundesrat erinnert, wird sicher bemerkt haben, das der Bund hier eine Hintertür offen ließ und damit die Zustimmung der Länder erfolgte.

    Nun zu meiner Frage zurück.


    Steht das AEG im Widerspruch zum GG?


    Seit 2004 haben wir in der Sozialhilfe die Grundsicherung (dann im SGB XII) verankert.

    Bereits 1961 wurde das Bundessozialhilfegesetz eingeführt.

    Wäre nicht hier schon die Frage der Vereinbarkeit angemessen gewesen?

    Natürlich ist Sozialhilfe Nachrangig zu gewähren, ein wesentlicher Baustein des SGB, bevor die Allgemeinheit die Kosten für ein "menschenwürdiges Leben" übernimmt.

    Auch die Rolle der Familie ist heute eine Andere als vor 50 Jahren.


    Sollte ein Sozialsstaat nicht konsequenter handeln und den Rückgriff auf die Angehörigen generell abschaffen?


    Gruß


    frase

  • Frase, eigentlich wollte ich mich aus dieser unsäglichen Elternunterhaltdiskussion raushalten. Aber, weil Frase so ein fleißiges Mitglied ist, hier also eine Antwort, ganz speziell für ihn.


    Frase, du schmeisst hier einiges durcheinander. Man kann die Frage, ob Elternunterhalt überhaupt zu zahlen ist, nicht vom Ansatz her ins Grundgesetz packen. Aber, wenn du Unterhaltsverpflichtungen in gerader Linie zu Verwandten 1. Grades verneinst, dann müsstest du das nicht nur in Richtung Eltern, sondern auch in Richtung Kindern. Und da kommen wir dann doch ins Grundgesetz, Art. 3, Gleichheitsgebot.


    Der Sinn von Art. 3 ist es, staatliche Willkür zu verhindern, diese Regelung ist also ein Willkürverbot. Dahingehend herrscht heute weitestgehend Übereinstimmung zwischen dem Verfassungsgericht und den Staatsrechtlern. Entscheidend ist der Gedanke, dass weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich behandelt werden darf noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich. Und dieses Problem kommt immer bei starren Grenzen auf. Es fällt schwer, zu erklären, wie eine starre Grenze alle tatsächlichen Verschiedenheiten berücksichtigt und allen Ungleichheiten Rechnung trägt.


    Das hat das Bundesverfassungsgericht auch immer wieder so entschieden. Die bekannteste Entscheidung ist wohl die, die das Erbrecht betrifft. Da erhielt der Bundestag unter Fristsetzung die ganz klare Aufgabe, die Gesetze, die insoweit eine Ungleichbehandlung der Erben in Bezug auf die Erbmasse aufzuheben, also ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen, welches diesem Rechnung trägt.


    Ganz sicher war es angebracht, diese Unterhaltssseite neu zu regeln. Nur man hat sich leider für ein System entschieden, welches angreifbar ist. Warum hat man das getan? Hier komme ich in die Vermutungen rein. Es war doch am einfachsten, einfach diese Grenze festzusetzen. Die Masse der Wähler verdient weniger, und man hat ja auch am Jubel hier im Forum gesehen: alle sind zufrieden.


    Meine Bedenken bleiben.


    Herzlichst


    TK