Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder nach Schulabschluß

  • Ihr Lieben,


    euer Kind ist volljährig, hat seinen Schulabschluss und beginnt einen neuen Lebensabschnitt. Da ändert sich für die Kinder nicht nur viel, auch die Eltern müssen wissen, was nunmehr finanziell auf sie zukommt. Mein Beispiel hier geht zunächst einmal von einem (angehenden) Studenten und getrennt lebenden Eltern aus. Das ist der komplizierterste Fall, ist dann für die Leser aber auch auf einfachere Fälle runter zu brechen. Für ergänzende grundsätzliche Ausführungen gebt mir einen Hiweis über PN, dann schaue ich, ob das Sinn macht.


    Wenn die Eltern getrennt leben, dann gibt es normalerweise einen Unterhaltstitel. Bitte überprüft, ob ein solcher existiert, der über die Volljährigkeit hinaus geht. Eventuell sind auf dieser formellen Seite auch Abänderungen zu treffen, das soll aber nicht Thema dieses Beitrags sein. Hier geht es um die materiell-rechtliche Seite.


    Mit der Volljährigkeit ändert sich unterhaltstechnisch immer vieles. Der Grund dafür ist, dass die Kinder volljährig werden, das betreuende Elternteil eben aus dieser Betreuung formal juristisch entlassen ist, deshalb auch finanziell in Anspruch genommen werden kann. Es ist also neu zu rechnen. In unserem Beispiel will der Abiturient also studieren. Klar, es gibt dann einige Monate zu überbrücken. Wenn es wirklich nur um einige Monate geht, dann sind die Eltern weiter in der Unterhaltspflicht. Anders sieht es aus, wenn sich die Aufnahme des Studiums verzögert, dann muss das Kind selbst für sich sorgen. Denn nach dem Gesetz sind die Eltern nur verpflichtet, eine Ausbildung zu finanzieren, nicht aber Wartezeiten, die über die Gebühr lange dauert. Und - eine Ausbildung/ein Studium bedeutet nicht, dass es ein erfolgreicher Abschluss vorliegen muss. Der ewige Student, der gerade das dritte Studium anfängt, weil ihm die ersten zwei Studiengänge doch nicht lagen, der verliert auch seinen Unterhaltsanspruch.


    Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung sprechen insoweit von Zügigkeit. Das Studium muss sich zügig an den Schulabschluss anschließen, muss zügig durchgezogen werden. Allerdings billigt man dem Kind einen Wechsel zu. Also eine sog. Orientierungsphase wird eingeräumt. Aber - dieser Wechsel sollte binnen der ersten zwei bis drei Semester erfolgen, ansonsten ist das nichts mehr mit der Zügigkeit. Und der Unterhaltsanspruch kann verwirkt sein.


    Die Hauptfrage ist jetzt, wie sich durch die Änderung der Lebensumstände auch der Unterhaltsanspruch ändert.

    Hier ist zu unterscheiden. Lebt das Kind weiterhin zu Hause, bei einem der Elternteile, oder zieht es aus? Wenn es auszieht, dann wäre als erster Schritt zu prüfen, ob dieser Auszug studiumsbedingt ist oder aber eher der grenzenlosen Selbstverwirklichung dient. Ist er erforderlich, so ist die Höhe des von den Eltern zu leistenden Unterhalts begrenzt. Derzeit sind das 860 €, das ändert sich jedoch von Zeit zu Zeit und kann individuell auch anders aussehen. Aber, als Richtwert durchaus tauglich.


    Die Kernfrage ist aber in der Regel, was ändert sich, wer muss was leisten?


    Grundsätzlich ist der Anspruch gegen die Eltern subsidiär. Dies bedeutet, andere Ansprüche haben Vorrang, der Anspruch gegen die Eltern kann sich reduzieren, einerlei, ob das Kind diese anderen Ansprüche nutzt oder drauf verzichtet. Bei BaföG muss man ja bekanntlich die Hälfte zurück zahlen. Trotzdem ist das Kind verpflichtet, dieses "Darlehen" aufzunehmen, der Anspruch gegen die Eltern reduziert sich insoweit. Auch ist das Kind verpflichtet, eigenes Vermögen bis zu einem Freibetrag im 4-stelligen Betrag selbst einzubringen. Ihr seht, die Eltern werden entlastet, die Spielregeln haben sich geändert.


    So, morgen geht es weiter.


    TK

  • Weiter geht es.


    Jetzt fängt das Kind mit seinem Studium an. Wenn der BaföG- Satz beim Auswärts-Studium nicht voll ausgezahlt wird, weil die Eltern zu viel verdienen, dann stellt sich die Frage, ob der Betrag, der Basis der Berechnung des Amtes ist, von den Eltern bezahlt werden muss. Die Antwort ist ein klares "nein." Familienrechtliche Belange werden in dieser Berechnung nicht berücksichtigt, bzw. nur sehr eingeschränkt berücksichtigt. Auch entfaltet der Bescheid nur Rechtswirksamkeit gegenüber dem Antragsteller, also dem Studenten, nicht jedoch gegenüber den Eltern.


    Hier muss eine familienrechtliche Bewertung erfolgen. Die Unterschied zum nicht volljährigem Kind oder priviligierten volljährigen Kind (das ist der Schüler bis zum Alter von 21 Jahren) sind gravierend. Zwar ist die Stellung des volljährigen Schülers schon anders (schwächer) als die des minderjährigen Schülers, aber das ist hier nicht der Themenkreis, deshalb nur der allgemeine Hinweis.


    Beim Studenten muss man wissen, dass der in der Rangigkeit eines möglichen Unterhaltsanspruchs ganz weit nach hinten rutscht. Vorrangig zu befriedigen sind die Ansprüche minderjähriger und priviligierter Kinder, der Ehepartner oder Ex-Ehepartner, erst dann kommt der Student mit seinen Unterhaltsansprüchen an die Reihe. Beide Elternteile sind außerdem in der finanziellen Pflicht, es besteht keine erhöhte Erwerbspflicht mehr, das Kindergeld fließt voll in den Unterhaltsanspruch mit ein, der Selbstbehalt der Elternteile ist auf jeweils 1300 € erhöht. Und - falls durch die Neuberechnung für den bisherigen allein zahltenden Unterhaltsverpflichteten ein höherer Betrag raus kommt, als in der Zeit vor dem Studium austituliert war, so ist dieser Mehrbetrag nicht zu zahlen, wir haben also eine Deckelung hinsichtlich der Höhe.


    Wie wird nun konkret gerechnet? Beide Elternteile bereinigen ihre Einkünfte. Um berufsbedingte Aufwendungen, um die anderen Bereinigungsfaktoren, dann um die Unterhaltsansprüche der jüngeren Kinder, der (Ex)Ehepartner. Die verbleibenden Einkommen werden addiert, dann wird der Anspruch des Kindes ermittelt, das Kindergeld berücksichtigt, und dann gequotelt, nach Einkommen der Eltern. Die Begrenzung erfolgt einmal durch den Selbstbehalt und dann eben bei einem Elternteil eben auch durch die Höhe des bisher gezahlten Unterhalts gedeckelt.


    Jetzt lebt das Kind noch bei einem Elternteil, genießt das "Hotel Mama". Fließt dieser Fakt in die Berechnung mit ein? Nein, tut es nicht. Allerdings hat das Elternteil, bei welchem das Kind lebt, die Möglichkeit, seinen zuvor errechneten Unterhaltsanteil zu verrechnen mit den Naturalien, die bereit gestellt werden bzw. geleistet werden. Eben Zimmer, Strom u.s.w., voller Kühlschrank. Aber das ist letztlich Vereinbarungssache zwischen dem Elternteil und dem Kind. Keine Angelegenheit, die sich auf die Unterhaltshöhe von dem anderen Elternteil auswirkt oder aber auf sonstige Leistungsansprüche.


    So, das ist mal der Einstieg in die Problematik.


    Herzlichst


    TK

  • Gauss, der Wohngeldanteil ist einfach eine Rechengröße, nicht mehr. Und der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen beide Elternteile zusammen kann auch höher sein als 860 €. Ist zwar sehr theoretisch, aber durchaus möglich. Da kann das Kind ja in einer besseren Besenkammer wohnen oder aber vielleicht eine eigene Wohnung mit mehreren Zimmern im elterlichen Haus haben. Ausgangspunkt ist hier letztlich nicht der tatsächliche Bedarf, sondern, wie auch beim Unterhalt von minderjährigen Kindern. Mir geht es halt darum, dass viele das Einkommen des Elternteils, bei welchem gelebt wird, aus der Berechnung ausschließen, weil dort ja "umsonst" gewohnt werde. Und das ist falsch. Zur Berechnung des Wertes des "Hotels Mama" kommen wir erst, nachdem der Unterhaltsanteil insoweit festgestellt ist und man sich dann eben auf diese Lösung einigt.


    Herzlichst


    TK

  • Die DT sagt:

    "Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf eines Studierenden, der nicht bei seinen Eltern oder einem

    Elternteil wohnt, beträgt in der Regel monatlich 860 EUR. Hierin sind bis 375 EUR für Unterkunft einschließ-

    lich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten."


    Heißt das jetzt, dass der Unterhalt für einen zuhause wohnenden 860 - 375 =485 € ist, oder gilt dann der Betrag, den man aus der 4. Altersstufe der Tabelle abliest? Das wäre dann ja gehaltsabhängig.