Jugendamt greift auf alten Titel zurück - rechtens?

  • Hallo liebes Forum,


    ich bin neu hier und erhoffe mir ein paar Infos zum Unterhaltsrecht.


    Folgende Fragen treten bei mir gerade auf:

    Ich habe 2014 einen Unterhaltstitel über 115 % beim JA unterschrieben. Damals wohnte mein Sohn bei der Kindsmutter.


    Ab 2017 wohnte mein Sohn bei mir (Titel vom Anwalt über den Mindestunterhalt durch die Kindsmutter unterschrieben).


    Jetzt ist mein Sohn in einer Nacht und Nebel Aktion wieder zu ihr gezogen, Jugendamt leistet wieder Beistandschaft und bezieht sich bei den aktuellen Unterhaltsforderungen auf den Titel von 2014.

    Mittlerweile habe ich aber 2 weitere Kinder, eins davon schwerbehindert. Die Situation hat sich also verändert, so dass ich meiner Einschätzung nach nur noch auf 100 % komme. JA will den Unterhalt neu berechnen, aber aus jahrelangen Erfahrungen weiß ich, dass das hiesige JA viele Ausgaben dem Unterhaltszahler nicht anerkennt und nachteilig rechnet.


    Kann sich das JA auf den alten Titel beziehen, obwohl es bis vor kurzem einen anderen Titel gab?
    Was würdet ihr mir raten hinsichtlich der Vorgehensweise?


    Es geht nicht darum, meinem Kind Geld vorzuenthalten, aber wir haben eben Mehrkosten im speziellen auch durch die Behinderung meines Kindes (100%, B, aG, G und H). Was kann aufgrund der Behinderung in Abzug gebracht werden?


    Ach ja, meine Frau arbeitet Teilzeit und hat ein geringeres Einkommen, daher haben wir ihr die ungünstigere Steuerklasse zugeordnet. Sie hat also die höheren Abzüge. Das muss doch auch irgendwo bei der Berechnung berücksichtigt werden. Hat jemand Erfahrung wie das verrechnet wird.


    Fragen über Fragen. Anwalt hab ich leider die Erfahrung gemacht, dass es viel kostet und nicht allzu viel herauskommt. Leider sind wir mit Arbeit und Pflege schon am Limit…


    Vielen Dank also vorab für jegliche Hilfe.


    VG,

    Jadewe

  • Hi,


    grundsätzlich ist der alte Titel noch in der Welt. Da sich aber die Verhältnisse grundsätzlich geändert haben, muss neu gerechnet und abgeändert werden. Du kannst es unter Hinweis auf die zwei weiteren Kinder direkt mit dem Jugendamt versuchen, wenn es nicht klappt, dann ist allerdings ein Anwalt angesagt, das sollte aber jeder Anwalt, der einigermaßen erfahren ist, problemlos hin bekommen. Die Steuerklasse dürfte da keine Rolle spielen, da im Unterhaltsrecht grundsätzlich von Kl. 3 oder 4 ausgegangen wird, sich das ganze ja bei dir auch über den Jahresausgleich reguliert. Entscheidend sind aber die "neuen" Kinder bei der Berechnung. Und eventueller Mehrbedarf.


    Also, erkläre dem Jugendamt schriftlich die neue Situation, lege die entsprechenden Unterlagen bei, bitte um Zusicherung, den Titel abzuändern, setze eine Frist und kündige für den Fall der Nichtberücksichtigung der neuen Situation Abänderungsklage beim Familiengericht an. Das wäre so der Einstieg.


    Du solltest beim Jugendamt nie vergessen, dass dieses Anwalt des Kindes ist. Es ist folglich ein Interesse da, den Unterhalt möglichst hoch zu halten. Auf der anderen Seite wird das JA sich aber auch in aussichtsloser Lage einer Abänderung nicht verschließen.


    Starte jetzt erst einmal mit einem allgemeinen Schreiben, setze da eine Frist, ich würde sagen 14 Tage, das mit Zustellung, so dass du gerichtsfest einen Eingangsnachweis hast. Warum die Zweistufigkeit? Ganz einfach, die JA-Mitarbeiter haben viel zu tun. Komplettes neues Durchrechnen einschließlich Kommunikation mit der Mutter, das dauert halt etwas. Aber die Bereitschaft, wegen der geänderten Verhältnisse abzuändern, die sollte zügig da sein.


    Wie viel in der Zwischenzeit zahlen? Ich weiß nicht, ob der alte Titel dynamisch ist. Wie sich der Verdienst geändert hat. Ich würde jedenfalls im Oktober noch den austitulierten Betrag zahlen, und sehen, dass bis zum nächsten Monat alles geregelt ist. Wenn das auf der Zeitschiene nicht klappt, könnte man überlegen, ob man das Risiko einer Reduzierung eingeht, ohne dass der Titel aus der Welt ist. Aber das ist im Augenblick noch nicht spruchreif.


    Herzlichst


    TK

  • Vielen Dank für die Antwort!


    Eigentlich wollten wir eine Neuberechnung vermeiden, da das Jugendamt seeeehr zu unseren Ungunsten rechnet und behinderungsbedingte Mehrkosten einzeln aufgeführt werden sollen.


    VG,

    Jadewe

  • Die behinderungsbedingten Kosten eines anderen Kindes gehören zu dessen Bedarf und nicht zu deinen Ausgaben. Sie wirken sich deshalb - wenn überhaupt - nur im unterhaltsrechtlichen Mangelfall aus.


    Woher weißt du, dass das Jugendamt zu euren Ungunsten rechnet? Und warum unterbreitest du nicht deine eigene Berechnung als Vorschlag zur Einigung für die Zukunft? Dass Forderungen des Jugendamtes zu hoch sein können, liegt nämlich meist nicht am Jugendamt, sondern dran, dass die Unterhaltspflichtigen berechtigte und sinnvolle Einwände nie erheben und keine konkreten Forderungen stellen. Der Unterhaltsgläubiger (Kind, vertreten durch Jugendamt) ist aber nicht dafür da, den Unterhaltsschuldner über seine Rechte aufzuklären. Das Jugendamt agiert hier nicht als Behörde, die etwas festlegt.


    Ich würde dem Jugendamt meine eigene Berechnung vorlegen und um deren Auffassung dazu bitten. Gleichzeitig würde ich um sehr kurzfristigen Vollstreckungsverzicht aus dem bestehenden Titel bitten. Wird dieser nicht binnen weniger Tage erteilt, würde ich sofort die gerichtliche Abänderung beantragen.

  • Leider haben wir seeeehr schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit, da wurden viele Dinge nicht anerkannt.


    Klar müssen wir jetzt unseren Berechnungsvorschlag einreichen, aber wenn man nicht weiß, was man alles einreichen kann, ist das etwas schwer. Gibt es irgendwo Hinweise/Aufführungen, was man auch fristen kann? Die Liste wird nämlich dann sehr lang. Soll ich aus den letzten 12 Mo aufführen oder was demnächst ansteht?


    Danke für den Hinweis mit dem Vollstreckungsverzicht. Ich denke, der Weg zum Anwalt wird uns wieder mal nicht erspart bleiben…


    Ich persönlich finde es unfair, dass das JA auf einen völlig veralteten Titel aus der Schublade zurückgreift und der Titel von den letzten 4 Jahren, als das Kind bei uns wohnte, gilt nicht. Nebenbei sind davon auch 1 Monat Zahlungsrückstände übrig. Eine Verrechnung akzeptiert das JA nicht.


    Außerdem stehen Zahnspangenkosten jeden Monat an, die wir zahlen und die KM nicht übernimmt und auch nie übernommen hat.


    Wie ist das, wenn das Kind 18 Jahre alt wird? Ist nämlich in 10 Monaten? Da lohnt sich gerade eigentlich ne Neuberechnung nicht, da sie dann wieder ansteht.


    VG,

    Jadewe

  • Hi,


    du bist immer noch widersprüchlich. Einerseits lohnt sich eine Neuberechnung nicht, andererseits willst du ein Abänderung des Titels. Was soll die Basis hierfür sein? Es gibt feste Definitionen dafür, was Mehrbedarf ist, was Sonderbedarf ist. Nicht jede zusätzliche Ausgabe fällt darunter. Grundsätzlich nicht Einmalausgaben, die man ansparen kann. Die Klassiker sind insoweit Klassenfahrten oder Kosten für die Feierlichkeiten von Kommunion/Konfirmation. Es kommt also nicht darauf an, dass man zusätzliche Ausgaben für ein Kind hat, es kommt auf den Charakter der Ausgaben an. Und wenn ihr Listen von was auch immer einreicht, dann wird das JA nur das anerkennen, was wirklich Mehrbedarf oder Sonderbedarf ist. Daraus zu schließen, dass das JA nicht kooperativ ist, sorry, das wage ich zumindest nicht. Auch ist Unterhalt grundsätzlich nicht verrechenbar. Du kannst den Anspruch des Kindes nicht mit deinem Anspruch gegen die Mutter verrechnen. Das sind zwei völlig verschiedene Kisten.


    Der Sinn eines Titels ist es, Beständigkeit und Sicherheit zu schaffen. Es ist nicht der Sinn, alle paar Jahre bei gleichbleibenden Verhältnissen ein neues Verfahren anzuleiern. Das wäre ja auch völlig sinnfrei, aber mit vermeidbarer Unruhe und Unsicherheit verbunden. Letztlich liegt es in der Verantwortung der Betroffenen, ob sie sich bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse um eine Abänderung des Titels bemühen oder es lassen. Dir fällt jetzt auf die Füße, dass du beim Umzug des Kindes zu dir hättest eine Abänderung erwirken sollen.


    Man sollte jetzt die Weichen neu stellen, neu berechnen und schauen, ob es möglich ist, die Abänderung, die ja bei Volljährigkeit dran ist, mit in den Titel einzubeziehen. Also einen stufenweisen Aufbau anstreben.


    Da du nicht einmal das Grundprinzip verstanden hast, dich auch wohl nicht so richtig einarbeiten kannst oder willst, würde ich dringend empfehlen, einen Anwalt aufzusuchen und ihm das Mandat für jetzt und die Abänderungen ab Volljährigkeit zu erteilen. Dann ist da für absehbare Zeit Ordnung drin, was ja im Interesse aller ist.


    Herzlichst


    TK

  • Hallo,


    danke für deine Worte.


    Leider kann man im Forum nicht alle Sachverhalte erwähnen. Wenn man persönlich drin steckt, kann man das emotionale nicht 100 % ausschalten. Erst recht nicht, wenn man mit Beruf und Pflege alleine gelassen ist. Mein persönlicher Gerechtigkeitssinn hatte wohl gehofft, dass ein gewisses menschliches Verständnis mit in die Entscheidungen reinfließen sollte. Wir sind vom Schicksal sowieso schon mehr als gebeutelt und so eine psychisch extrem anstrengende Situation der Unterhaltsforderung bringt einfach mal wieder das Familiensystem zum Erliegen. Ich denke, sowas kann nur jemand nachvollziehen, der in einer ähnlichen Lage ist.


    Ich entnehme deinen Worten, dass es für unseren Fall besser ist, einen Anwalt zu beauftragen, da die Situation und Berechnung zu komplex sind.


    Danke für den Tipp mit dem stufenweisen Aufbau des Titels. Werde ich der Anwältin vorschlagen. Übrigens liegt das Versäumnis nicht vollends auf meiner Seite, da wir den Titel 2-mal ohne Erfolg beim JA angefordert hatten. Die Anwältin und wir haben das damals nicht weiterverfolgt.


    Leider weiß ich jetzt immer noch nicht, was ich alles von unseren extra Kosten anführen kann.
    In den Listen zum Mehr- und Sonderbedarf steht nichts drin. Ich hatte daher gehofft, dass jemand aus persönlichen Erfahrungen etwas beisteuern kann.


    Liebe Grüße,

    Jadewe

  • Hallo,


    da ein neuer Titel für uns erstellt war, wo die KM Mindestunterhalt an mich zahlen musste, weil Sohnemann die letzten 4 Jahre ja hier wohnte, war der alte Titel aus 2014 (wo ich 110 % zahlen musste), überflüssig. Diesen sollte das JA „herausgeben“, was es nicht gemacht hat. Tja, und jetzt bezieht sich das JA auf diesen alten Titel.


    VG,

    Jadewe

  • Hi,


    tja, da hätte man sich um die Herausgabe kümmern müssen. Aber, wenn die Mutter dir noch für einen Monat Kindesunterhalt schuldet, dann kannst du doch aus deinem Titel vollstrecken.


    Mir fällt gerade noch was ein. Steht denn in deinem Titel nicht sinngemäß "unter Aufhebung des Titels vom JA vom ...... wird die Mutter verpflichtet, monatlich ..... zu zahlen." Guck mal genau auf den Text.


    Herzlichst


    TK