Urteil BSG - gestuftes Auskunftsverfahren nach dem Angehörigen Entlastungsgesetz

  • Hallo Cookie, vielen Dank für die Info!

    Was ändert das aber an den Folgen. Es gab klare Anhaltspunkte. Also Auskunft zum Einkommen erteilen.

    Oder soll das bedeuten, das die RWA nicht gültig wäre?

    Die Auskunft zum Einkommen würde doch ausreichen um den Regress zu ermitteln. Dann läuft das volle Programm und man sollte eine gute Strategie aufbauen, das Schonvermögen plausibel zu schützen.

    Gruß frase

  • Zunächst wurde ja einmal von höchster Instanz klargestellt, dass es ausreichende Hinweise geben muss um eine Auskunft zu verlangen.

    Da die SA häufig den vollen Auskunfts Rundumschlag machen und sofort Alles und möglichst viel beim UHP abfragen hat es aus meiner Sicht zumindest zur Folge, dass diejenigen die mit den Einkünfte die Grenze nicht gerissen haben nicht unnötig Einblick in ihre Vermögensverhältnisse gegeben haben bzw. überhaupt geben mussten.

  • Zunächst wurde ja einmal von höchster Instanz klargestellt, dass es ausreichende Hinweise geben muss um eine Auskunft zu verlangen.

    Es wurde ein Formfehler begangen, der könnte nun wirklich dazu führen, das die RWA ungültig war.

    Ging es aber hier um die RWA oder um den fehlerhaften Umgang zum Auskunftsersuchen?

    Bliebe die RWA erhalten ist das kein Erfolg für den UHP.

    Für UHP unter der Grenze gilt, Rückgriff ausgeschlossen, es sollte der Einkommenssteuerbescheid als Nachweis ausreichen.

    Auch hier habe ich damals, vor dem AEG, schon alle Zahlen zu meiner Ehefrau geschwärzt. Das Amt schrieb meine Frau darauf an und sie verweigerte die Auskunft, war ja nicht ihre Mutter. Wäre uns vor Gericht vermutlich um die Ohren geflogen.

    Ich glaube die "Sippenhaft" ist mit dem AEG auch Geschichte geworden.

    Gruß frase

  • Das scheint doch ein absolut wichtiges Urteil zu sein?

    Wie ist es denn, wenn kein Anhaltspunkt vorliegt, oder es sogar unwahrscheinlich scheint - der Beruf des Kindes wird ja oft beim Antrag angegeben -, z.B. bei einem Rentner? In dem Fall würde die Auskunft doch mit Recht verweigert, und der Betroffene sollte ggf. vor Gericht recht bekommen, oder interpretiere ich dieses Urteil falsch?

  • Hi,

    Du die bloße Angabe, das Kind sei Rentner, würde mir nicht reichen. Es gibt ja nicht nur die klassische Rente, die Renten bei den Versorgungswerken - auch offizielle Renten - sind doch häufig um ein Vielfaches höher als die der Rentenversicherung in Berlin. Und wir haben viele Rentner, die noch zusätzlich voll arbeiten. Oder es sind Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung da, Betriebsrenten u.s.w.. Es gibt also ganz viele denkbare Konstellationen, das sollte geklärt werden.

    TK

  • Ok, ich hätte schreiben sollen, bei voller Erwerbsminderungsrente. Selbst mit privater oder Betriebsrente sollte ausgeschlossen sein, daß die auch nur in die Nähe von 100.000 Euro kommt. Daß nebenbei gearbeitet wird, dann auch. Natürlich ist trotzdem prinzipiell alles möglich - aber gerade darum geht es doch. Dann wäre es weiterhin zulässig, daß ausnahmslos jeder Auskunft geben muß. Das ist aber eigentlich genau das, was der Gesetzgeber nicht wollte - sondern nur dann, wenn es Anhaltspunkte gibt.

    Wenn es die also nicht gibt, was der Standardfall sein dürfte, und/oder es sogar Anhaltspunkte für das Gegenteil gibt - hat sich dann seit dem BSG-Urteil von Ende letztes Jahr an der Praxis etwas geändert?

  • Hi,

    auch volle Erwerbsminderungsrente schliesst nicht Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung aus. Statistische Häufigkeiten haben in den Rechtswissenschaften noch nie eine Rolle gespielt, einfach weil wir immer einen Einzelfallbetrachtung haben. Ansonsten könnte man auch dahin kommen, dass Frauen aus Ermittlungen bei Morden als Täter auszuschliessen sind, weil die allgemeine Erfahrung eben anders ist.

    Wir haben es hier mit einer widerlegbaren Vermutung zu tun. D.h., einfach weil man nichts weiß, kann man auch keine Vermutung anstellen, von nichts konkret ausgehen. So, wenn denn einmal alle Unterlagen offen gelegt sind, alle Auskünfte erteilt sind, dann haben wir eine belastbare Vermutung. Das ist dann eine Basis für weiteres Vorgehen, d.h. auch für die Entscheidung, wie oft man was auch immer darlegen muss. Das darf dann nicht in Schikane ausarten. Ganz klar. Aber, mit Steuergeldern ist nun mal sorgfältig umzugehen.

    TK

  • Klar ist es möglich. Aber dann liefe es darauf hinaus, daß man sich den entsprechenden Passus im Gesetz gleich hätte sparen können. Es gäbe also bzgl. der Auskunft zum Einkommen (wenngleich nicht zum Vermögen) keinen Unterschied mehr zur Situation vor dem AEG. Es geht hier doch auch darum, wie herum gelagert die "Beweislast" ist. Im o.g. Fall gab es hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Einkommensgrenze. Aber wenn die fehlen? Es genügt eben keine "entfernte Möglichkeit", sondern es braucht eine "gewisse Wahrscheinlichkeit" des Überschreitens, und m.W. muss der SHT die Anhaltspunkte benennen. Das wird er in dem Beispiel nicht können. https://www.wielinski.de/bsg-bestaetigt…ahreseinkommen/

  • Hi,

    wir bewegen uns hier in die juristische Methodenlehre hinein. Eines meiner Lieblingsthemen, das nur mal so nebenbei. Ob das neue Gesetz optimal formuliert ist, darüber kann man trefflich streiten. Ich hätte mir, wie langjährige Leser hier wissen, das ganze etwas anders gewünscht. Aber nicht in diesem Punkt. Unsere Gesetze sind vom Ansatz her so ausformuliert, dass sie möglichst viele Einzelfälle abdecken; man kann ja nicht jeden Einzelfall durch eine gesetzliche Regelung erfassen. Wäre das der Fall, dann hätten wir Millionen von Gesetzen mehr, und fiele ein Fall aus einer gesetzlichen Regelung raus, dann dürfte er gar nicht (einerlei ob positiv oder negativ) geregelt werden, weil in den abschließenden Gesetzen nicht erfasst. Wir hätten Chaos und rechtsfreie Räume.

    Deshalb arbeitet der Gesetzgeber auf der Tatbestandsseite mit. sog. unbestimmten Rechtsbegriffen, auf der Rechtsfolgenseite mit Ermessensspielräumen. Es werden also Rahmen festgelegt, die dann im Einzelfall konkret auszufüllen sind. Im Zivilrecht geschieht das z.B. durch Verträge; im Strafrecht, auf der Rechtsfolgenseite durch ein Gericht, wenn dort z.B. in einer Strafbestimmung niedergelegt ist, ...... wird mit Freiheitsstrafe von ..... bis oder mit Geldstrafe bestraft.

    So, es gibt dann Fallgruppen, in welchen man grundsätzlich von einem bestimmten Sachverhalt ausgeht, ohne dass man weiß, ob er tatsächlich zutrifft. Da sprechen wir dann von einer je nach Gesetzeslage widerlegbaren oder unwiderlegbaren Vermutung. Der Klassiker soweit ist die Geburt eines Kindes in einer Ehe. Man weiß zwar nicht, ob der Ehemann der Vater des Kindes ist, geht aber wegen des besonderen Schutzes von Ehe und Familie (GG) davon aus, dass das der Fall ist, ohne es zu überprüfen; allerdings kann man eben im konkreten Einzelfall auch eine Überprüfung erzwingen, um diese Vermutung zu kippen. Die Basis der Vaterschaftsvermutung ist also klar definiert.

    In unserem Fall hier haben wir keine Basis, auf der sich eine Vermutung aufbauen lässt. Die ist dann rechtsdogmatisch erst einmal aufzubauen. Gerade Erwerbsminderungs/Erwerbsunfähigkeitsrenten sind ja ebenso wie Altersrenten nicht auf einer sozialen Grundlage aufgebaut, es sind Versicherungsleistungen. Auch ein Milliardär kann einen Anspruch auf eine solche Rente haben; ein wirklich Bedürftiger jedoch nicht. Wir haben also nichts Greifbares. Wie das Ganze jetzt auszufüllen ist, ist in diesen Sachen Angelegenheit der Verwaltung im Einzelfall. Es ist zumindest soweit zu konkretisieren, dass wir mit einer Vermutung weiter arbeiten können. Diese Konkretisierung hat auf der Basis der allgemeinen Regelungen zu erfolgen. Und da es hier um Steuergelder geht, mit denen sorgfältig umzugehen ist, hat auch eine gründliche Erfassung zu erfolgen.


    TK

  • Lange Rede, kurzer Sinn: Es gibt den Auskunftsanspruch nur beim positiven Vorliegen von hinreichenden Anhaltspunkten für das Überschreiten der 100T€-Grenze. Sämtliche Kommentare, die ich bisher gelesen haben, sind sich darin einig. Wenn der SHT nichts anderes weiß, hat er keinen Auskunftsanspruch, Punkt. Bei ihm liegt die Darlegungslast. Das war schon vor dem BSG-Urteil klar (nur mir nicht - da ging es auch um die gleichzeitige Auskunft über das Vermögen).

    Die Frage wäre nur noch, ob in der Praxis regelmäßig z.B. Auskunft beim Finanzamt eingeholt wird, was wohl vonseiten des Finanzamtes rechtswidrig wäre, und damit die Regelung des AEG umgangen wird. Offenbar können auch rechtswidrig erlangte Informationen als Anhaltspunkte dienen.

    Quote from OLG Hamm, Beschluss vom 4. September 2023 – II-4 UF 164/22

    Mit Schreiben vom 02.05.2018 bezifferte der Antragsteller sein Unterhaltsverlangen, nachdem er über das Finanzamt die zu versteuernden Einkünfte des Antragsgegners ermittelt hatte.

    Edited 2 times, last by freitag (August 5, 2025 at 8:31 PM).

  • Hallo freitag, das Urteil bezog sich auf einen Fall vor dem AEG.

    Wir vermuten aber heute schon, das es interne Anfragen gibt, Konten etc. abzugleichen ( ist im SGB XII heute schon möglich, wird aber nur selten gemacht). Wenn der Antrag auf Hilfe zur Pflege vorsätzlich falsch ausgefüllt wurde, ist das Sozialhilfebetrug. Ob eine Abfrage beim Finanzamt rechtswidrig ist kann ich nicht beurteilen. Der Vorgang muss aber durch den Vorgesetzten des SB im Amt bestätigt werden. Der könnte dann ohne Anhaltspunkte zum Problem werden, da gegen formale Vorgaben verstoßen wurde (wenn ohne Anhaltspunkte abgefragt wird).

    Gruß frase

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