Herabstufung wegen Unterschreitung Bedarfskontrollbetrag

  • Hallo und Guten Tag,


    ich bin aufgrund meines bereinigten Nettoeinkommens in Stufe 2 (105%) der DT eingestuft. Nach Abzug des KU lande ich unter dem Bedarfskontrollbetrag von 1650€ und werde dadurch runtergestuft auf 100% (Anmerkung 6 DT). Sehe ich das so richtig?

    Viele Grüße

    Ptr

  • Hallo Trotha,


    vielen Dank für die Antwort.
    Ich war mir eigentlich auch sicher und habe deswegen 100% für Januar gezahlt. Geht ja eindeutig aus der DT hervor. Aber eine Anwältin für Familienrecht hat mir geschrieben, dass ich 105% zahlen soll und dies beim JA titulieren lassen soll.
    Interessant: versuchen die das Mal auf gut Glück bzw. in der Hoffnung auf Unwissenheit durchzusetzen?

    Viele Grüße

    Ptr

  • Die Düsseldorfer Tabelle ist kein Gesetz, sondern ein in der Praxis angewendetes Hilfsmittel, um möglichst ähnliche Fallkonstellationen nicht immer wieder neu verhandeln zu müssen. Ein Unterhaltsgläubiger dürfte auch jeden anderen Betrag fordern, z.B. 103,46%, 500 € Festbetrag oder eine Lindt-Aktie im Jahr. Der Bedarfskontrollbetrag in der Düsseldorfer Tabelle ist ein Instrument der Angemessenheitskontrolle, welches vom BGH für zulässig erklärt wurde. Es gibt aber einige OLG-Bezirke, in denen der Bedarfskontrollbetrag keinerlei Erwähnung findet, weder in den Leitlinien noch in der Rechtsprechung. Sich darauf zu berufen ist also möglich, aber keine Garantie.


    Es geht darum, sich zu einigen. Man sollte der Anwältin deshalb unter Verweis auf den Bedarfskontrollbetrag einfach antworten, dass man bereit wäre, 100% zu zahlen und zu beurkunden und nachfragen, ob darüber Einverständnis erzielt werden kann. Beurkundet und zahlt man die 100% "einfach so", geht man zumindest das Risiko eines sofortigen gerichtlichen Unterhaltsverfahrens ein. Das habe ich im unmittelbaren Umfeld schon wiederholt miterlebt.

  • Hallo Tr,


    vielen Dank für die Antwort.
    Ich habe Ende Dezember die Anwältin und die KM per Email informiert, dass ich ab 01.01.2023 den Mindestunterhalt laut DT 2023 zahle. Die Anwältin hat mit jetzt geschrieben, dass ich nach wie vor in Gruppe 2 wäre.
    Ich werde ihr natürlich wie vorgeschlagen antworten und dann weiter sehen.

    Viele Grüße

    Ptr

  • Hallo an Alle,


    ich habe eine Antwort von ihrer Anwältin bekommen:


    „Ich teile Ihre Meinung bezüglich des Bedarfskontrollbetrag nicht. Dieser soll eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den unterhaltsberechtigten Kindern gewährleisten. Wird dieser Betrag unter Berücksichtigung auch anderer Unterhaltspflichten unterschritten, ist der Tabellenbetrag der nächst niedrigeren Gruppe anzusetzen. Im vorliegenden Fall sind jedoch auf Ihrer Seite keine weiteren Unterhaltspflichten vorhanden.


    Trotzdem kann ich Ihnen nach Rücksprache mit meiner Mandantin mitteilen, dass diese damit einverstanden ist, dass Sie für beide Kinder Unterhalts nach Einkommensgruppe 1 der DT zahlen.


    Ich darf Sie bitten, den Kindesunterhalt möglichst zeitnah titulieren zu lassen, was bei dem zuständigen Jugendamt kostenlos erfolgen kann. Für die Übersendung der Unterhaltstitel habe ich mir als Frist den 10. Februar 2023 notiert.“


    Ich habe das Wort „auch“ oben fett geschrieben, weil ich da den unlogischen Punkt in Ihrer Argumentation sehe. Darf ich fragen, wie das gemeint sein soll? Oder soll ich verunsichert werden? Ich habe keine anderen Unterhaltspflichten, aber die Unterhaltspflichten ggb. meinen Kindern reicht doch vollkommen aus um herabzustufen.

    Viele Grüße

    Ptr

  • Ja, ich verstehe nicht, warum eine erwachsene Anwältin das „nötig hat“. Aber man muss nicht alles verstehen.


    Hauptsache es wird korrekt berechnet - und ich zahle den Unterhalt immer korrekt und pünktlich. Also ist alles i. O.


    Ich habe mich informiert, dass man die Jugendamtsurkunde jeweils bis zum 18. Geburtstag befristen lassen sollte, weil ja dann beide Elternteile barunterhaltspflichtig werden und sich damit die Berechnungsgrundlage deutlich ändert. Ich werde nächste Woche zum JA gehen: kann mir das JA eine Befristung verwehren? Hat jemand damit Erfahrung?


    Viele Grüße

    Ptr

  • Ah ok, vielen Dank Trotha.


    Ich werde es erstmal mit einer befristeten JA Urkunde versuchen. Die Anwältin kann sich ja sonst melden, wenn sie eine unbefristete Urkunde möchte.


    Ein volljähriges Kind hat seinen Unterhaltsanspruch darzulegen und zu beweisen und es besteht eine Mitwirkungspflicht (Zeugnisse, Bescheinigungen). In den meisten Fällen ändert sich der Unterhaltsbetrag und der dynamisierte Minderjährigenunterhalt ist vorbei. Von daher finde ich die quasi Verpflichtung auf Entfristung nicht ganz „sauber“ - auch wenn es schon von Gerichten so entschieden worden ist.


    Viele Grüße

    Ptr

  • Ich glaube gar nicht unbedingt, dass die Anwältin hinsichtlich des Bedarfskontrollbetrages nicht einsichtig ist. Ich vermute eher, dass sie es gar nicht besser weiß. Letztlich hat sie einfach die Textpassage aus der Düsseldorfer Tabelle kopiert und diese falsch interpretiert. Es ist aber auch nicht besonders geschickt formuliert und heißt letztlich nur, dass bei der Angemessenheitskontrolle alle Unterhaltspflichten berücksichtigt werden sollen. Ob das eine ist oder fünf, spielt keine Rolle. Dazu hätte die Anwältin mal einen Gesetzeskommentar aufschlagen können. Diese Information findet sich binnen Sekunden.


    Da man bei einem Titel eine Ersetzungs- oder Abänderungsmöglichkeit in außergerichtlicher und auch gerichtlicher Form hat, ist der Anspruch auf einen unbefristeten Unterhaltstitel nach meiner Auffassung juristisch nicht zu beanstanden. Auch ein Minderjähriger hat seinen Bedarf zu beweisen. Das ist kein Argument.

  • Dass eine Fachanwältin für Familienrecht dies nicht weiß, fände ich sehr bemerkenswert. Aber gut… es ist ja letztendlich „korrekt“ eingestuft worden.


    Ja, der juristische Anspruch auf einen unbefristeten Titel ist nicht zu beanstanden. Nur meiner Meinung nach („finde ich…“) ist das nicht ganz richtig. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ändert sich der Unterhaltsbetrag aufgrund der Barunterhaltspflicht beider Elternteile und ich muss die Mutter dann bitten, den Titel herauszugeben und ansonsten vor Gericht gehen, was Nerven und Kosten verursacht. Damit wird es dem/der Unterhaltspflichtigen (und nur diesem einen Elternteil) unnötig schwer gemacht und es entsteht Konfliktpotenzial zwischen den Elternteilen, welches meistens auch das Kind belastet. Außerdem kann eine dynamisierte Titulierung nur in der Minderjährigkeit verlangt werden. Und Kindergeld ab 18 muss ja auch neu beantragt werden, obwohl es ähnlichen Voraussetzungen wie dem KU unterliegt.


    Das JA z. B. könnte jeder/jedem 17-Jährigen einen Brief schicken, in dem über KU und Kindergeld ab 18 informiert werden würde und auf Hilfe/Beratung durch das JA und Familienkasse hingewiesen werden würde. Dann hätte der Jugendliche genug Zeit, sich mit seinen Eltern zu besprechen und würde auch seine Rechte kennen, was wohl nicht bei allen dann 18-Jährigen der Fall ist.
    Das ist mein Vorschlag.


    Viele Grüße

    Ptr

  • Du hast Recht, die Änderung des Titels ab der Volljährigkeit des Kindes zu organisieren, ist unter Umständen (je nach Familiengeschichte) mit Nerven und vielleicht auch Kosten verbunden.


    Eine Befristung der Unterhaltsurkunde wälzt diese Problematik jedoch einfach nur vom Elternteil auf das Kind ab. Denn angenommen ein Elternteil ist nicht zur Klärung bereit, so muss das Kind selbst juristisch vorgehen. Die bisherige Sicherheit durch Titulierung wäre bei einer Befristung pünktlich zum 18. Geburtstag einfach so entfallen. Und genau dieser Zustand ist nicht hinnehmbar. Das gerade volljährig gewordene Kind hat ein wesentlich höheres Schutzbedürfnis als ein Elternteil. Deswegen könnte man sich z.B, auch nicht gegen eine laufende Zwangsvollstreckung wehren, nur weil Volljährigkeit eingetreten ist (vgl. § 244 FamFG). Und das war auch Teil der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 1612a BGB ("Auf diese Weise ist das Kind (...) nicht gezwungen, sich nach Vollendung des 18. Lebensjahres einen neuen Titel zu beschaffen."), was der Bundesgerichtshof 2005 nochmals bekräftigt hat.


    Heutzutage sind deshalb auch (fast) alle gerichtlichen Unterhaltstitel stets unbefristet. Dass eine Jugendamtsurkunde überhaupt befristet werden kann, liegt ausschließlich daran, dass die Urkundsperson einen solchen Wunsch nicht ablehnen darf, wie Nutzer Trotha bereits ausgeführt hat.

  • Ja stimmt, vielen Dank.
    Ich stimme dem zu, dass ein gerade volljährig gewordenes Kind ein höheres Schutzbedürfnis hat als ein Elternteil - keine Frage. Das Problem auf das Kind abzuwälzen ist auch nicht richtig. Auf den Unterhaltspflichtigen eigentlich auch nicht. Vielleicht könnte das JA dies als Vertretung des Kindes übernehmen - so wie als Beistandschaft und solange bis die erste Ausbildung/Studium absolviert ist. Das JA fordert die Unterlagen an, berechnet usw.. Und dann kann jeder (Kind/Mutter/Vater) dies bei Bedarf von einem RA überprüfen lassen.