Nachehelicher Unterhalt bei Obliegenheitsverletzung des Unterhaltsberechtigten

  • Liebes Forum,

    nach einer Trennung 2014 und unendlichen Schriftsätzen wurde mir im Juni 2023 das Urteil vom OLG Bremen zugestellt. Es ist erschreckend wie weit das Urteil von der aktuellen Gesetzgebung und Urteilen anderer OLG's abweicht.

    Zur Sache:

    1996 Eheschließung, zwei Kinder 1997 und 2002. Meine Frau war fortan in Teilzeit bei Ihrem bisherigen Arbeitgeber der Sparkasse tätig. 2009 kündigte sie ihren seit 28 Jahren bestehendes Arbeitsverhältnis eigenständig.

    2014 Trennung, 2015 nahm meine Ex wieder einen Job in ihrem Beruf in Teilzeit an, eine Bemühung, nach dem ersten Trennungsjahr eine vollschichtige Anstellung zu bekommen erfolgte nicht. 2018, kurz vor der abgestimmten Einreichung der Scheidung wurde ihr gekündigt. Fortan war sie krank/ arbeitslos zuhause, ohne Bemühung wieder einen Anstellung zu erlangen.

    Nach dem Auslaufen vom ALG1 (2021) hat sie eine Anstellung bei einem Personaldienstleister zum Mindestlohn angenommen. Trotz von mir nachgewiesen offener Anstellungsmöglichkeiten, welche ich zur Gerichtsakte gereicht habe, hat sie sich nicht um einen angemessen Job bemüht und forderte nachehelichen Unterhalt, wegen ehebedingter Nachteile.

    Aus meiner Sicht handelt es sich eindeutig um eine selbst herbeigeführte Bedürftigkeit. Eine Bedürftigkeit wurde noch nicht einmal nachgewiesen. 2020 wurde unser Eigenheim verkauft und sie hat 100.000€ erhalten.

    2021 hat meine Ex eine Erbschaft von über 200.000€ erhalten. Im Juni 2021 wurden wir geschieden.

    Bei dem Urteil vom OLG Bremen wurde keine unterhaltsmildernde Sachverhalte anerkannt und auf die in der Vergangenheit begangenen Obliegenheitsverletzungen nicht einmal eingegangen. Nach Ansicht des Gerichts sei ihr Jetzt, mit 60, nicht mehr zuzumuten sich um einen Job zu kümmern.

    Es wurde nur ein fiktiver Wohnvorteil aus der Erbschaft berechnet, weil meine Ex angegeben hat, dass sie über den Kauf einer Eigentumswohnung nachdenke.

    Aufgrund der langen Ehezeit von 21 Jahren wurde der Unterhalt auf 6,5 Jahre begrenzt und dann leicht reduziert, auf die Differenz von Ihrem jetzigen Einkommen zum fiktiven Einkommen, welches sie bekommen hätte, wenn keine Ehe bestanden hätte. Meine Einwände, während des Gerichtsverfahrens wurde ignoriert und mit Kommentaren wie: "seien sie doch froh, dass ihre Exfrau überhaupt arbeite", beantwortet. Ein Befangenheitsantrag wurde abgelehnt, weil dieser nicht sofort erfolgt ist, sondern durch meinen Anwalt innerhalb von 7 Tagen eingereicht wurde, aus Sicht des Gerichts zu spät. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde hatte keinen Erfolg und die Anhörungsrüge wurde noch nicht einmal beantwortet. Leider hat eine Verfassungsbeschwerde auch nur sehr geringe Aussichten auf Erfolg.


    Jetzt Frage ich das Forum: Ist das die heutige Rechtsprechung? Die Scheidungsreform von 2008 wollte so etwas eindeutig verhindern und es sollte die Eigenverantwortung deutlich mehr Gewicht haben. Leider kann gegen solch eine Gerichtswillkür nichts unternommen werden, da dem Familiengericht zugestanden wird, dass solche Urteile nicht überprüft werden.


    Ich bin sehr verzweifelt, weil man keine Chance auf Recht bekommt und zum Zahlen verdonnert wird. Es war offensichtlich, dass sich die Anwältin meiner Ex und das Gericht sehr gut kannten, zumal diese Anwältin im OLG Bremen als Referendarsleiterin tätig war.


    Falls irgendjemand einen Tipp hat, was man jetzt noch machen kann, bin ich sehr dankbar...es muss doch eine Möglichkeit geben...

  • Unter welchem Aktenzeichen wird man denn den Beschluss nachlesen können? Oberlandesgerichtsbeschlüsse sind in der Regel ausführlich und sehr gut begründet.


    Mein Eindruck anhand deiner Ausdrucksweise: Viele (auch Anwälte) verkennen schon die Grundprinzipien des Zivilverfahrens und beschäftigen sich mit überflüssigen und belanglosen Nebenkriegsschauplätzen wie Dienstaufsichtsbeschwerden oder Befangenheitsanträgen. Viele wissen nicht einmal, was eine Dienstaufsichtsbeschwerde überhaupt ist und welchen Zweck man damit verfolgt bzw. welches Verhalten man damit rügen kann. Und wundern sich dann, wenn diese ergebnislos sind.


    Im Zivilverfahren muss man gezielte Anträge stellen, andere bestreiten, dazu vortragen und darlegen/beweisen. Dann sind diese Sachvorträge zwingend vom Gericht zu beachten. Wenn man also den Leistungsantrag substantiiert mit Verwirkung bestreitet, dann hat sich das Gericht auch zu dieser Frage im Beschluss geäußert. Deinem Beitrag ist jedoch nur eine Sachverhaltsschilderung und deine Meinung zu entnehmen. An der Beschlussbegründung fehlt es. Für einen Außenstehenden lässt sich daher auch nicht nachvollziehen, ob hier tatsächlich eine neue Kerbe Rechtsprechung geschaffen wurde.


    Oder handelt es sich etwa um einen Vergleich?


    Eventuell wurde deine Exfrau summa summarum einfach besser vertreten als du.

  • Hallo Tabula rasa,


    wir hatten gezielte Anträge gestellt, nur wurden diese komplett ignoriert. Unsere Beweise wurden ignoriert. Die Gegenseite allerdings braucht noch nicht einmal Beweise vorlegen. Allerdings möchte ich das Urteil nicht veröffentlichen, da zu viele Angaben zum Wohnort etc. in dem Urteil stehen und ich nicht weiß inwieweit diese Daten unkenntlich gemacht werden.


    Es sollte ein Vergleich sein, bloß bei der Verhandlung wurde mir bei der Eröffnung schon das Urteil präsentiert.


    Ja, und meine Ex wurde deutlich besser Vertreten, weil diese Anwältin im OLG Bremen sehr gut vernetzt und gut bekannt ist....

  • Ein Vergleich ist kein Beschluss. Urteile gibt es im Familienrecht überhaupt nicht (mehr). Ein Vergleich gibt wieder, was die Beteiligten vereinbart haben. Das Gericht hätte insoweit keinerlei Entscheidung getroffen, sondern allenfalls verfahrensleitende Hinweise erteilt oder seine Meinung kundgetan. Wenn man mit etwas nicht einverstanden ist, dann vergleicht man sich nicht darüber. Bei der Verhandlung kann seitens des Gerichts gar nichts vorliegen, weil es zu diesem Zeitpunkt noch gar keine Anträge gibt. Diese werden erst in der Verhandlung gestellt. Allenfalls war die Gegenseite äußerst gut vorbereitet und hat einen fertig formulierten Vergleich vorgelegt und dein Anwalt hat "einfach" zugesagt. Dass die Anwältin im OLG Bremen tätig war, ist völlig unerheblich. Es indiziert lediglich, dass sie offensichtlich über wesentlich mehr Expertise verfügt als dein Anwalt und zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Dinge geschrieben, gesagt und gemacht hat.


    Anträge und Beweise werden in einer streitigen Entscheidung nicht ignoriert. Insoweit es sich aber um einen Vergleich handelt, wäre dein gesamtes Vorbringen über Anträge, Beweise, gerichtliche Willkür, Befangenheit und Co. komplett für die Tonne und würde meine Annahme bestätigen, dass (leider) auch du die zivilrechtlichen Verfahrensprinzipien einfach nicht verstehst.


    Streitige Entscheidungen werden von Oberlandesgerichten in der Regel anonymisiert veröffentlicht, weil sie die Basis der Rechtsprechung bilden und von anderen Gerichten in ähnlich gelagerten Sachverhalten angewendet werden können.


    Für Vergleiche interessiert sich dagegen niemand, außer den Beteiligten selbst.

  • Hi,


    wir haben es mit einer Ehe von langer Dauer zu tun. Das, was man so allgemein im Netz liest, nämlich, dass ab der Scheidung spätestens jeder für sich selbst sorgen müsse, das ist im Gesetz so nicht vorgesehen. § 1578b BGB stellt hier ausdrücklich auf die Billigkeit im Einzelfall ab. Dies bedeutet, dass neben der Dauer der Ehe auch zu berücksichtigen ist, wie die finanzielle Gestaltung in der Ehe erfolgte, wie die Haushaltsführung durchgezogen wurde. Es gibt nämlich durchaus eine nacheheliche Solidarität, die natürlich hinsichtlich der Dauer auch von der Dauer der Ehe abhängig ist.


    So, dazu kommt dann die Frage, welcher Verdienst der Frau anzurechnen ist, der tatsächliche oder aber der fiktive, wenn sie sich "unter Preis" verkauft. Ob du hier irgendwelche Stellen nachgewiesen hast, ist völlig uninteressant. Einmal weiß man ja nicht, ob ein Arbeitgeber so eine alte Frau überhaupt neu einstellt; zum anderen ist die Frage, ob man einen sicheren Job aufgeben muss, um das Risiko des Nichtbestehens der Probezeit eingehen muss.


    Du siehst, es sind eine Fülle von Faktoren von Bedeutung. Ob das Gericht diese angemessen berücksichtigt hat, das können wir hier nicht abschätzen. Aber eines weiß ich mit Sicherheit: allein der Nachweis von irgendwelchen offenen Stellen reicht nicht aus, um eine Begrenzung der Unterhaltspflicht zu erreichen. Ich z.B. gehöre zu den wenigen, die vor einigen Jahren mal eine 57-jährige Wiedereinsteigerin eingestellt hat, trotz des Erfördernisses, sie völlig einzuarbeiten, einfach weil die Kenntnisse inzwischen völlig überholt waren. Die Frau teilte mir mit, dass sie über 100 Bewerbungen geschrieben hatte.


    Woher nimmst du denn die Erkenntnis, dass hier ein Gesetzesbruch vorliegt? Mach mich schlau. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass immer nach der Scheidung die Eigenverantwortung beginnt, hätte er das ins Gesetz aufgenommen, und nicht auf einen unbestimmten Rechtsbegriff zurückgegriffen, welcher von Fall zu Fall auszufüllen ist.


    TK

  • Hallo,

    wie ich lese, gibt es doch eine Resonanz.

    Ihr wollt mir also vermitteln, dass eine, zum Zeitpunkt der Trennung, 51 jährige Frau, welche bis 2009 in ihrem Beruf gearbeitet hat, kein Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt hat und dieses belegt, indem sie sich schlicht nicht bewirbt, in Ordnung ist?

    Ok. Denn bleibt noch die Frage warum der Unterhaltszeitraum nicht begrenzt wird. Laut BGH ist mit dem Versorgungsausgleich ein ehelicher Nachteil nach dem Renteneintritt des Unterhaltsberechtigen obsolet. Zumal ich jetzt in der Zwischenzeit 21 Jahre, bis zur Rente der Ex, Unterhalt bezahlen darf. Komischerweise sehen das diverse OLG's in Deutschland und das BHG völlig anders. Warum muss sich eine Bäckereifachverkäuferin mit 65 Lebensjahren dann sogar überregional bewerben, um ihren Unterhat zu sichern (OLG München)?

    Bis kurz vor der Einreichung der Scheidung hatte Sie eine Anstellung mit einem Verdienst von 38€ Stundenlohn, wer hat das schon? Und das in ihrem Ausbildungsberuf. Dann nach der "langen" Kranken-/Arbeitslosenphase von 2,5 Jahren hat sie dann alles verlernt?

    Komisch ist nur, dass das Renteneintrittsalter auf 69 Jahre erhöht werden soll, wenn die "Alten" das nicht mehr packen, gerade in einem Bürojob?


    Ich hoffe ich bekomme Ideen oder Tipps, wie dieses, aus meiner Sicht, Unrecht verändert werden kann. Die Billigkeit im Einzelfall zieht übrigens auf besondere Umstände ab und das vermeiden von Bewerbungen zählt nicht dazu.

  • Hi,


    nochmals: ohne genaue Aktenkenntnis kann man in diesen komplexen Verfahren nicht entscheiden, ob deine Inanspruchnahme zutreffend ist oder nicht. Und das gilt auch für die anderen Entscheidungen. Es sind immer, ausnahmslos immer Einzelfallentscheidungen.


    Nochmals, es ist völlig wurscht, ob sie sich bewirbt oder es lässt. Gegebenenfalls wird mit einem fiktiven Gehalt gerechnet. So einfach ist das.


    Nun, du kannst versuchen, das zu ändern, indem du dich an den Bundestagsabgeordneten deines Vertrauens oder aber an die Partei deines Vertrauens wendest (sie sollte im Bundestag vertreten sein) und die motivierst, eine Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen, die starre Fristen enthält.


    TK

  • Ihr wollt mir also vermitteln, dass eine, zum Zeitpunkt der Trennung, 51 jährige Frau, welche bis 2009 in ihrem Beruf gearbeitet hat, kein Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt hat und dieses belegt, indem sie sich schlicht nicht bewirbt, in Ordnung ist?

    Auf keinen Fall würde ich Derartiges vermitteln. Die alles entscheidende und einzig wichtige Frage im Moment wäre aber, ob es hier um einen Vergleich geht oder tatsächlich um einen Beschluss? Denn nur bei einem Beschluss hätte sich das Gericht überhaupt mit streitgegenständlichen Fragen auseinandergesetzt. Hast du dich dagegen verglichen, dann führt ebendieser Vergleich alle deine Fragen ad absurdum.