Schulwahlrecht einmal für immer oder neu?

  • Wenn aus Anlass der Einschulung in die Grundschule einem Elternteil auf Antrag das Recht der Schulwahl als einer Angelegenheit von erheblicher Bedeutung gerichtlich übertragen wurde, nachdem sich die gleichermaßen sorgeberechtigten Eltern nicht hatten einigen können, folgt dann beim Übergang auf eine weiterführende Schule 4 Jahre später, dass der Elternteil darüber allein entscheiden kann, dem das Recht damals übertragen wurde?


    Oder handelt es sich vielmehr bei der Wahl der weiterführenden Schule um eine andere Angelegenheit von besonderer Bedeutung, über die die Eltern grundsätzlich zunächst wieder gemeinsam entscheiden müssen?


    Ich nehme letzteres an, weil es sich ja doch um eine andere Situation handelt, das Kind mehr mitreden kann, möglicherweise eine Schullaufbahnempfehlung ausgesprochen wird und sich weitere Lebensumstände geändert haben können.

  • Der Gedanke, ein Gericht würde bei gemeinsamen Sorgerecht die Entscheidungbefugnis über eine Schulanmeldung, welche erst in 4 Jahren erfolgen soll, bereits jetzt einem Elternteil übertragen, ist völlig lebensfremd.


    Die Mutter könnte aktuell ja gar keinen konkreten Antrag stellen, über welchen ein Gericht überhaupt entscheiden könnte.

  • Danke für die schnellen Antworten.


    Die damalige richterliche Entscheidung und der Sachverhalt enthielten keine besonderen Umstände, die (nach meinem Verständnis) eine Fernwirkung begründen könnten. Daher sehe ich mich in der Annahme bestätigt, dass es sich um eine neue bzw. bei beiden Schulwahlentscheidungen um zwei Angelegenheiten handelt - und hoffe, dass das Gericht das auch so sieht.


    Es war vor Jahren wegen unterschiedlicher Wohnorte (< 25 km) über das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entscheiden, was entlang des Kindeswohls geschah. Parallel (im selben Antrag) dazu stand die Entscheidung über die Grundschulwahl an. Nachdem beim Aufenthaltsrecht i.W. mit Kontinuität argumentiert worden war (bei grundsätzlicher Eignung beider Eltern), steht bzgl. der Schulwahl relativ lapidar, dass auch hier im Sinne größtmöglicher Kontinuität zu entscheiden war.


    Nun, Jahre später, leben beide Eltern im selben Ort (<3 km). Aus der Schulwahl ergeben sich keine Auswirkungen auf den (Aufenthalts-)Ort.


    Der Elternteil, dem damals das Recht zugesprochen worden war, die Grundschule zu wählen, möchte das Kind jetzt entgegen der Schullaufbahnempfehlung auf ein Gymnasium im Wohnort schicken. Der Elternteil, der damals nicht das Recht zugesprochen bekommen hatte, möchte das Kind entsprechend der Schullaufbahnempfehlung auf eine IGS im selben Ort schicken. Die Entfernungsunterschiede sind minimale (<1 km). Auf beide Schulen werden auch andere Kinder aus der Klasse wechseln. Es sind mit der Schulwahl IGS keine Auswirkungen auf die derzeitige Betreuungsregelung (erweiterter Umgang) verbunden.


    Eine einvernehmliche Entscheidung über die Schulwahl kommt zwischen den Elternteilen nicht zustande.


    Wenn es sich um zwei Angelegenheiten handelt - und darin sehe ich mich dank der Rückmeldungen bestärkt -, dann kann jetzt wegen der Meinungsverschiedenheiten das Gericht nach BGB §1628 einem Elternteil auf Antrag das Recht der Wahl der weiterführenden Schule übertragen. Dabei muss es sich "nur" am Kindeswohl orientieren. Nach meinem Verständnis müsste das Gericht dann zu dem Ergebnis kommen, dass die Schulwahl entsprechend der Klassenkonferenzempfehlung dem Kindeswohl besser dient als die Schulwahl entgegen der Empfehlung - unter sonst gleichen Umständen, d.h., wenn in einer mündlichen Verhandlung nicht noch Argumente vorgetragen würden, die ich heute nicht kenne.


    Im umgekehrten Fall, wenn die Wahl der weiterführenden Schule als dieselbe Angelegenheit angesehen würde wie die Grundschulwahl, dann würde das Gericht nach meinem Verständnis nach BGB §1696 zu entscheiden haben, denn dann müsste die frühere Entscheidung in dieser einen Angelegenheit durch eine neue Entscheidung in derselben Angelegenheit, was einen "triftigen Grund" im Hinblick auf das Kindeswohl erfordert.


    Ein "triftiger Grund" im Hinblick auf das Kindeswohl wäre nach meinem Verständnis grundsätzlich eine höhere "Latte" als nur die Orientierung am Kindeswohl allein.


    Insofern freue ich mich über die Rückmeldung, weil die Latte für die von mir unterstützte Schulwahl gem. der Klassenkonferenzempfehlung und meiner eigenen Beobachtungen über die schulische Entwicklung des Kindes niedriger liegt. Es kann somit offenbleiben, ob das Gericht / ein Richter dies auch für einen triftigen Grund halten würde. Nach meinem Laienverständnis handelte es sich auch um einen triftigen Grund, wenn es denn darauf ankäme.


    Ich bin auch insofern beruhigt, als wegen der Anmeldefristen grundsätzlich Eile herrscht und der Elternteil, dem das Recht zur Wahl der Grundschule übertragen worden war, grundsätzlich ebensowenig allein eine Anmeldung vornehmen kann wie der andere Elternteil, wenn es sich um zwei verschiedene Angelegenheiten herrscht.

  • Hi,


    ich wiederhole mich. Es kommt auf den genauen Wortlaut der damaligen Entscheidung an. Und wenn seinerzeit insoweit die Entscheidung über die Schulauswahl der Mutter übertragen wurde, dann darf die Mutter auch alleine die Anmeldung zur weiterführenden Schule vornehmen. Warum liest man nicht einfach mal nach? So als Einstieg.


    TK

  • Hallo TK,


    ich zitiere jetzt (aus 2018) , was ich paraphrasiert hatte:

    „Dem Elternteil X wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht für die Schulwahl für das Kind übertragen.“


    „Gründe: …

    Um auch im Hinblick auf die Schule Kontinuität zu wahren, war dem Elternteil X auch das Recht zur Schulwahl zu übertragen. Die Übertragung stellt insoweit sicher, dass das Kind am gewohnten Ort mit ihren Freundinnen zur Schule gehen kann.“


    Der Wortlaut enthält keine zeitliche Einschränkung der Übertragung, was mich zu meinem Forumseintrag veranlasst hatte.


    Auch ohne Einschränkung im Wortlaut tendiere ich zu der Auffassung, dass mit dem Wortlaut keine Übertragung auch schon der Schulwahl 2023 gemeint sein kann. Dies deshalb nicht, weil bei grundsätzlich gemeinsamem Sorgerecht eben nur einzelne Angelegenheiten bei Meinungsverschiedenheiten einem Elternteil übertragen werden, ich aber die Wahl der Grundschule und der weiterführende Schule als zwei separate Angelegenheiten begreife: Sie sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten akut, und das Gericht kann bei der Übertragung aus Anlass der Einschulung in die Grundschule ja noch keinerlei Argumente für eine weiterführende Schule berücksichtigt haben.


    Aber die Nachfrage ist mir willkommen, weil mich nicht nur die möglicherweise systematisch richtige Antwort interessiert, sondern auch, wie ggf. bei enger Orientierung am Wortlaut entschieden würde. Ich nehme an, dass z.B. die Schulverwaltung ausgehend vom Beschluss 2018 auch heute die Anmeldung durch den damals erfolgreichen Elternteil allein annehmen würde, wenn auch nach meiner Auffassung irrtümlich.


    timekeeper : Wie lautet jetzt Dein / Ihr „Urteilsspruch“ in Kenntnis des Beschlusswortlautes und der Auffassung von

    @Throta?

  • Hallo und frohe Restostern,


    ich finde es immer sehr poblematisch, wenn Schullaufbahnen durch Eltern beeinflusst werden die der Empfehlung der Schule entgegen stehen.

    Andererseits sollte hier auch die Kinder eine Mitsprache haben.


    Schulische Leistungen können auch durch Trennung der Eltern und dern Folgen einen Dämpfer bekommen.

    Warum also den höheren Anforderungen ausweichen, wenn es sich das Kind zutraut!


    Was macht das mit dem Kind, wenn sich Eltern hier uneins sind?

    Es wird nur eine zusätzliche Belastung aufgebaut.


    Klar kann man an einer ISS mit gymnasialer Oberstufe bestimmt auch ein Abitur machen, nur eben in 13 Jahren.

    Sollte der zahlende Elternteil auch mal bedenken.


    Gruß


    frase

  • Au, das ist blöd. Irgendwie hab ich so was geahnt, einfach weil ganz viele Entscheidungen im Familienrecht auf lange Zeit ausgerichtet sind, einfach um dauerhaft Ruhe einkehren zu lassen. Mir fehlt eben die Beschränkung auf die Entscheidung für die Grundschule.


    Ich überlege im Augenblick, wie man im Interesse des Kindes am geschicktesten mit der Situation umgeht.


    1. Alternative: Mutter und Vater sind sich einig, alles klar. Beide unterschreiben, sofern die Schule das will, ansonsten nur die Mutter und gut ist.


    2. Alternative: Man ist sich nicht einig. So, wenn dann die Mutter alleine entscheidet und unterschreibt, du mit der Entscheidung nicht einverstanden bist, dann musst du klagen. Wenn das Schulamt meint, es bedarf auch der Unterschrift von dir, du die verweigerst, dann muss die Mutter klagen.


    Es kann also letztlich dahingestellt bleiben, was mit der alten Entscheidung ist, es wird bei euch wohl gerichtlich entschieden werden müssen. Das sollte man rechtzeitig einleiten. Denn, wenn bis zum Ablauf der Anmeldefrist keine tragfähige Entscheidung da ist, das Schulamt zur Überzeugung kommt, es bedürfe zweier Unterschriften, dann würde bei uns (Schulrecht ist Ländersache) das Kind auf eine kombinierte Haupt/Realschule kommen, auf die eben Kinder ohne Elternunterschriften kommen. Wegen der Schulpflicht erfolgt dann eben eine Zuweisung. Ist ja auch nicht unbedingt im Sinne aller Betroffener, oder?


    TK

  • Danke, frase , für die weitergehenden Aspekte:


    Zur Mitsprache des Kindes:

    Das Kind hat alle in Frage kommenden Schulen besichtigt.Das Kind möchte kein Elternteil verletzen, indem es eine Vorliebe erkennen ließe. Weder die Eltern noch die Lehrerin haben vom Kind eine Vorliebe erfahren können. Auch, wohin die Freundinnen wechseln, kommentiert das Kind nicht. Auch nicht.


    Ich würde nicht wagen, zu formulieren, dass das Kind sich das Gymnasium zutraut. Sich etwas zuzutrauen ist bislang kein hervorstechendes Wesensmerkmal, im Gegenteil.


    Auswirkungen der Uneinigkeit:

    Ich denke auch, dass sich die Uneinigkeit als Belastung niederschlägt oder niederschlagen kann. Doch in einer realen Welt mit individuellen Kindern ist nicht zu erwarten, dass sich alle Eltern immer über die Schulwahl einig sind.


    Hier ist ein Elternteil aus meiner Sicht aber auch darum besorgt, wie es sich auswirkt, wenn das Kind auf dem Gymnasium noch schlechtere Noten als die jetzt schon unterdurchschnittlichen Noten hat und dann die Schule wechseln muss. Mir erscheint der Gang zum Gericht wegen Meinungsverschiedenheiten der verantwortlichere Umgang mit dem Problem, als sehendenden Auges die Überforderung am Gymnasium in Kauf zu nehmen, nur um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden.


    Im hier vorliegenden Fall lehnt ein Elternteil eine Mediation durch einen Fachanwalt oder das Jugendamt ab. Es ist daher zwischen zwei Übeln das kleinere zu wählen: gerichtliche Entscheidung.


    Zahlungen:

    Wenn die schulischen Leistungen das Abitur (doch noch) zulassen, was beide Eltern hoffen, dauert das auf dem Gymnasium und der IGS gleich lang. Ob über einen Haupt- oder Realschulabschluss länger Kindesunterhalt wegen des Abiturs gezahlt werden müsste, spielt bei den Eltern - so mein Eindruck - keine Rolle.


    Eltern vs. Empfehlung:
    Im Einzelfall, insbesondere wenn sich die Eltern untereinander einig sind, und für den künftigen Schulerfolg (der Schule unbekannte) Umstände hinzutreten, mögen die Eltern sich zu Recht über die Empfehlung hinwegsetzen. Ich persönlich schätze aber die Grundschullehrerinnen als kompetent ein und gebe viel auf ihre Empfehlung.


    Im betroffenen Bundesland ist die Empfehlung unverbindlich. Sie wird nur auf Wunsch der bzw. eines Erziehungsberechtigten in einem Protokoll zu einem oder zwei Beratungsgesprächen der Schule mit den Eltern protokolliert. (In anderen Bundesländern steht eine verpflichtende Empfehlung im Zeugnis.) Dass bei uneinigen Eltern der Wunsch eines Elternteils ausreicht, auch wenn der andere ausdrücklich keine Protokollierung wünscht, habe ich beim Kultusministerium erfragt und beantwortet bekommen. (Eine Frage, die Grundschullehrerinnen, die zwischen die Elternfronten geraten, in der Regel nicht beantworten können dürften.)


    Damit sind wir wieder bei meiner Ausgangsfrage, die auch bei anderen geschiedenen Eltern relevant sein kann, wenn man sich leider sowohl bei der Wahl der Grundschule als auch vier Jahre später bei der weiterführenden Schule uneins ist:


    Überträgt das Gericht anlässlich des Streits über die Wahl der Grundschule mit einem Wortlaut, der keine zeitliche oder inhaltliche Einschränkung oder Präzisierung enthält, auch das Recht, vier Jahre später über die weiterführende Schule entscheiden zu dürfen, oder tut es das nicht?

  • Danke für die zusätzliche Perspektive!


    Dass viele Entscheidungen auf Dauerhaftigkeit ausgerichtet sein sollen, leuchtet mir als zweckmäßig ein und erklärt, wieso Du anders reagiert hast als Trotha .


    Für die (eilige) gerichtliche Klärung, mindestens in einer Anhörung scheint mir doch vortragenswert, dass das damals tätige Gericht trotz begrüßenswerter Befriedungs- und Dauerhaftigkeitsabsicht doch wohl nicht über vier Jahre hinausgehend und quasi blanko die nächste wesentliche Entscheidung in die Hände nur eines Elternteils legen wollte. Vortragenswert, weil dann nach BGB §1628 zu entscheiden ist und nicht nach §1696.


    Das mit der Zuweisung ist auch noch ein hilfreicher Aspekt. Geht das Gericht von zwei Angelegenheiten aus, wird der „Gymnasium-Elternteil“ vielleicht zur Vernunft kommen, wenn er in der Anhörung erkennt, dass im Falle der fortgesetzten Meinungsverschiedenheiten eine Zuweisung erfolgen wird, die ihm noch weniger „schmeckt“ als die IGS.

    Das Schulamt wird jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gegen die Schullaufbahnempfehlung eine Zuweisung zum Gymnasium vornehmen.


    Es kommt eine dritte Schule gemäß Klassenkonferenzempfehlung in Frage, auf der (relativ zur IGS) weniger Schüler angemeldet werden. Sie liegt etwas weiter von beiden Eltern entfernt, ist aber (auch vom Gymnasium-Elternteil) noch erreichbar, nur eben schlechter.

  • Hi,


    das Schulamt wird im Zweifel das Kind der Schule zuweisen, welches in ihrem Bezirk für ungeklärte Fälle zuständig ist. Die Empfehlung der Grundschule muss nicht richtig sein, außerdem weiß man nie, wie sich ein Kind entwickelt. Deshalb wird das Jugendamt den Teufel tun, das Kind entgegen dem Elternwillen einer Schule zuzuweisen. Dafür gibt es eben die Auffangschule, und gut ist.


    Nur, im Gegensatz zu früher ist es ja so, dass das Schulsystem wesentlich durchlässiger ist. Wenn es irgendwo nicht klappt, kann man immer noch umschwenken. Deshalb verstehe ich nicht so ganz die Erbitterung, mit der jetzt hier gekämpft werden soll.


    TK

  • Hallo timekeeper,


    vielen Dank für die inhaltliche Hilfe und die Antworten.


    Eine grundsätzliche Fragen klären zu wollen, eine oder zwei Angelegenheiten, ist zunächst einmal ein Erkenntnisinteresse.

    Das würde ich, was meine Person anbetrifft, von der Frage trennen wollen, ob Eltern oder wer auch immer miteinander erbittert kämpfen.

    Für die Antworten und das präzise Nachfragen nach dem Wortlaut nochmals vielen Dank!


    Zuweisung gegen Elternwillen:

    ... das Schulamt wird im Zweifel das Kind der Schule zuweisen, welches in ihrem Bezirk für ungeklärte Fälle zuständig ist. ... Deshalb wird das Jugendamt den Teufel tun, das Kind entgegen dem Elternwillen einer Schule zuzuweisen. Dafür gibt es eben die Auffangschule, und gut ist.

    Diese Antwort passt nicht zum geschilderten Fall. Denn wenn die Eltern eben weder zu einer außergerichtlichen Einigung kommen noch das Gericht rechtzeitig einem Elternteil das Recht zur Wahl der Schule überträgt, dann gibt es keinen "erklärten Elternwillen" gegen den etwas zugewiesen werden könnte. Das Schul- oder Jugendamt müsste eine Zuweisung vornehmen und könnte, selbst wenn es wollte, den Elternwillen nicht berücksichtigen.


    Die von mir beschriebene "dritte Schule" wäre genau die Auffangschule. Die ist für den Gymnasial-Elternteil nicht annehmbar, für den anderen Elternteil kommt sie hilfsweise in Frage.


    Zuweisung durch das Schulamt als eine Information, die möglicherweise zu einer Einigung führt:


    Außerdem hatte ich ausgeführt, dass ich hoffe, dass der Hinweis auf eine drohende Zuweisung von Amts wegen den Vater bei der Anhörung vor Gericht noch zum Einlenken bewegen möge, sodass die Zuweisung selbst später gar nicht nötig würde und das Schul-/Jugendamt damit auch in keine Zwickmühle käme. Deswegen war mir der Hinweis auf die Zuweisung wertvoll, weil in Kenntnis dieses Umstandes doch noch eine einvernehmliche Lösung zustande kommen mag, die sich bislang nicht abzeichnet.


    Mir ist Einlenken vor Gericht lieber als die Entscheidung durch das Gericht; ich halte das unbewiesenermaßen für die nachhaltigere Lösung.


    Erbitterter Kampf:


    Ich möchte die nichtrechtlichen Aspekte der Fragestellung nicht im Detail ausbreiten, weil ich mit einem Elternteil sympathisiere, also nicht objektiv bin.

    Außerdem helfen meine Emotionen keinem Forumsleser weiter.


    Um die Neugierde oberflächlich zu befriedigen: Ich glaube, dass so manche Eltern nur schlecht damit umgehen können, wenn der eigene Nachwuchs nicht die Noten nach Hause bringt, die man selbst erwartet, in der Familie und im Bekanntenkreis stolz vorzeigen möchte. Wenn es am eigenen Kind dann nicht liegen darf und auch nicht an einem selber, ist der geschiedene Ex-Partner aber ein naheliegender, weil verfügbarer Sündenbock, der sicherlich mit leicht entflammbarer Inbrunst diesen Vorwurf zum Anlass nimmt, noch das eine oder andere Thema mitzuverhandeln.


  • „Dem Elternteil X wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht für die Schulwahl für das Kind übertragen.“


    „Gründe: …

    Um auch im Hinblick auf die Schule Kontinuität zu wahren, war dem Elternteil X auch das Recht zur Schulwahl zu übertragen. Die Übertragung stellt insoweit sicher, dass das Kind am gewohnten Ort mit ihren Freundinnen zur Schule gehen kann.“


    Der Wortlaut enthält keine zeitliche Einschränkung der Übertragung, was mich zu meinem Forumseintrag veranlasst hatte.

    Diese Entscheidung ist unmissverständlich und unbefristet. Sie gilt für alle zu treffenden Wohnorte und Schulwahlen im Leben des Kindes, bis sie wieder abgeändert wird oder das Kind 18 Jahre alt wird.

  • Hi,


    TR, wir schätzen die gerichtliche Entscheidung ja offensichtlich gleich ein. Man ist m.E. seitens des unterliegenden Elternteils wohl seinerzeit prozesstaktisch falsch vorgegangen. Man hätte sich bemühen sollen, die Schulentscheidung auf die Entscheidung zur Einschulung zu begrenzen. Immer noch wird in so Verfahren die "Alles oder Nichts Strategie" zu oft gefahren, auch von Anwälten, leider.


    MA, du hast mich immer noch nicht so ganz verstanden. Wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt, dann ist die Auffangschule raus, dadurch wird dann die fehlende Willenserklärung eines Elternteils ja ersetzt. Die Auffangschule kommt nur dann zum tragen, wenn eben Unterschriften fehlen oder aber die weiterführende Schule, die die Eltern bzw. das allein zur Entscheidung befugte Elternteil ausgesucht hat, nicht bereit ist, das Kind aufzunehmen.


    Und ich wehre mich dagegen, die Motivation von Eltern auf Prahlerei im Bekanntenkreis zu reduzieren. Eltern wollen den Kindern einen möglichst guten Start ins Berufsleben ermöglichen, und das ist nun mal immer noch das Abitur, möglichst absolviert am klassischen Gymnasium. Was nicht heißt, dass man ein Kind da unbedingt durchprügeln muss, wirklich nicht. Aber, man sollte auch die Mutter verstehen.


    TK

  • Hallo zusammen,


    ich bin angenehm angetan von der Geschwindigkeit und Qualität der Antworten. Danke dafür Tabula rasa , timekeeper und Trotha sowie frase !


    Rechtssprechungspraxis:

    Es verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass wohl in der Rechtsprechungspraxis dem Beschlusswortlaut ein größeres Gewicht beigemessen wird, als (wohl Trotha und) ich dies für inhaltlich gerechtfertigt ansehen.

    Gibt es dazu in der Rechtsprechung eine Entscheidung, die ausdrücklich auf den Aspekt eingeht?

    Gibt es einen Kommentar, der die Grundschulwahl und die Wahl der weiterführenden Schule als "eine Art von Angelegenheiten" zusammenfasst?


    Oder ist "nur" eure (mir wertvolle!) Erfahrung?


    Ich frage nur aus intellektueller Neugierde, für mein konkretes Anliegen ist das nicht entscheidend. Da haben mir die Rückmeldungen geholfen.


    (Meine) Kritik an der Rechtssprechungspraxis:

    Es steht mir mangels Qualifikation als Nichtjurist nicht zu, Kritik an der Rechtssprechungspraxis zu formulieren.

    Insofern möchte ich nur (m)ein Verständnisproblem (nochmals) artikulieren - und fühle mich durch Trothas Beitrag dazu ermutigt:


    Das Recht (und die Pflicht), die eigenen Kinder zu erziehen, steht grundsätzlich den beiden Eltern gemeinschaftlich zu. Der Staat und auch ein angerufenes Gericht, darf in dieses Recht nur unter bestimmten Bedingungen eingreifen. So schränkt die in Deutschland geltende Schulpflicht als nationales Interesse das Recht der Eltern ein, ihre Kinder selbst zu beschulen, und so schränkt ein angerufenes Gericht auf Antrag bei Meinungsverschiedenheiten das Recht eines Elternteils nach BGB § 1628 dadurch ein, dass es dann nur dem anderen Elternteil das Recht überträgt, allein zu entscheiden. Das Gericht entscheidet hingegen nicht in der Sache direkt: "Das Kind wird auf der X-Schule angemeldet", denn diese Entscheidung würde die Entscheidungsfreiheit des dazu berechtigten Elternteils beschränken.


    Wenn aber die Gerichte die Zuständigkeit der Eltern grundsätzlich derart weitgehend achten, ist es dann nicht eine vergleichsweise eklatante Missachtung der Zuständigkeit des (bei der Grundschulwahl nicht mehr mitentscheidenden) Elternteils, wenn dieser Elternteil auch vier Jahre später bei einer noch bedeutsamer Entscheidung nicht mitentscheiden darf?


    Ich empfinde den Wunsch nach Dauerhaftigkeit von Gerichtsentscheidungen als überdehnt, wenn sich die Dauer nicht nur auf den im Gericht beleuchteten Sachverhalt erstreckt, sondern darüber hinaus auch auf einen bei Gericht gar nicht näher betrachteten weiteren Sachverhalt:

    • Betrachtet: der Grundschultyp (Regelschule, Waldorf, etc.), das pädagogische Konzept der Grundschule, der Schulweg bzw. die Entfernung der Grundschule zu den Eltern, das soziale Umfeld (Kindergarten- oder andere Freund_innen), Vereinbarkeit mit der Betreuungsregelung der Eltern, die Wünsche des Kindes, und zwar alles unter der Perspektive "Förderlichkeit für das Kindeswohl".
    • Nicht betrachtet: das Lern- und Arbeitsverhalten des Kindes in der 3. und 4. Klasse der Grundschule, seine in Noten ausgedrückten oder qualitativ beschriebenen schulischen Leistungen, eine verbindliche oder unverbindliche Schullaufbahnempfehlung, Änderungen in den persönlichen Verhältnissen der Eltern, die deren Eignung zur schulischen Unterstützung des Kindes relativ zur Situation bei Einschulung beeinflussen, die Vor- und Nachteile der zur Verfügung stehenden weiterführenden Schulen und deren pädagogische Konzepte.
    • Wenn also bei der Entscheidung über die Grundschule auch nur die Aspekte für die Grundschule betrachtet werden und nicht die Aspekte für die weiterführende Schule, dann ist das für ein problematischer, weil schlecht fundierter Eingriff in die Rechte des bei der Grundschulwahl nicht mitentscheidenden Elternteils, dass ihm auch für den zweiten Sachverhalt nur noch die Möglichkeit nach BGB § 1696 eingeräumt wird, die getroffene Entscheidung bei vorliegen eines triftigen Grundes zu ändern.

    Ich habe trotz meines artikulierten Unverständnisses verstanden: Wenn man das Problem vermeiden will, tut man gut daran, dass der Beschluss inhaltlich oder zeitlich formulierte Beschränkungen des Rechts auf Schulwahl enthält.


    Und wenn es herrschende Meinung oder eben entschieden ist, dass die Schulwahlen zusammen eine "Art von Angelegenheiten" bilden, die einem Elternteil grundsätzlich auf Dauer übertragen wird, dann ist das so - und gut, wenn man es weiß bzw. hier gesagt bekommt.


    Auffangschule:

    Verstanden. Danke.

  • Hi,


    du verfranst dich zu sehr. Ich versuche mal, es grundsätzlich und einfach zu erklären. Eine Gerichtsentscheidung ist ein Dokument, mit dem man arbeiten muss. Und zwar ohne, dass man eine weitere Gerichtsentscheidung benötigt, um herauszufinden, was das erste Gericht meint. Deshalb meine Frage am Anfang: wie ist der genaue Wortlaut. Entscheidend ist der wirklich geäußerte Wille. Wobei insoweit völlig einerlei ist, ob die Entscheidung richtig oder falsch ist. Im Prinzip ist es im Zivilrecht auch einerlei, ob eine Entscheidung richtig oder falsch ist. Das Ziel ist, Rechtsfrieden herzustellen. Dem Staat ist es im Prinzip einerlei, ob von meinem Pflaumenbaum zur Herbstzeit immer reife Pflaumen auf deinen PKW fallen und möglicherweise den Lack beschädigen. Er bietet trotzdem die Justiz an, um diesen Streitfall zu klären, einfach, damit das sich nicht hochschaukelt und es deswegen zu Mord oder Totschlag kommt. Das muss man einfach wissen.


    Da sich der Staat im Prinzip aus dem zivilrechtlichen Privatleben raushält, wird er auch im Familienrecht nur auf Antrag, also als Streitschlichter bzw. Streitregulierer tätig werden. Zwar wird hier im Hinblick auf das Kindeswohl mehr geprüft werden, aber eben nur, wenn insoweit eine Gefährdung vorliegt. Wenn nicht, dann gelten wieder die allg. zivilrechtlichen Regeln. Die Parteien bestimmen durch ihre Anträge, was sie wollen. Es soll insbesondere dauerhafter Rechtsfrieden hergestellt werden. Wenn eine Befristung beantragt wird, dann wird das Gericht darüber entscheiden, ob dem entsprochen wird oder nicht. Aber, das Gericht darf nicht über die Anträge der Parteien hinaus gehen. Selbst dann nicht, wenn es z.B. meint, der Kläger hätte einen viel höheren Anspruch, als beantragt wird. Wir haben also die Parteimaxime, die bestimmen die Musik, das Gericht hilft letztlich bei der Umsetzung im Streitfall nach bestimmten sehr strengen prozessualen Regeln.


    Für deinen Fall heißt das (ich hatte es ja schon angedeutet): der Antrag der Mutter war Übertragung der Schulentscheidungen auf sie. Der Gegenantrag war wohl nicht die Begrenzung auf die eine Entscheidung, das hättest du uns wohl mitgeteilt. Nun hätte das Gericht wahrscheinlich (ich kenne die Akte nicht) dem Antrag auch nur teilweise entsprechen können, aber dafür dürfte es nicht ausreichend Sachvortrag gegeben haben. Möglicherweise ist da auf der Seite des Vaters prozessual was verbaselt worden.


    So, nachher geht es weiter.

  • Zwischenergebnis: das Gericht bemüht sich, den Rechtsfrieden herzustellen. nicht mehr und nicht weniger. Wenn man die Entscheidung nicht akzeptiert, dann kann man in Berufung gehen. Aber auch damit ist man ja nicht am Ende der Fahnenstange angekommen. Auch bei unbefristeten Entscheidungen ist ja eine Korrektur möglich, nur es gibt eben im Zivilrecht wegen der doch sehr begrenzten staatlichen Eingriffsmöglichkeiten gibt es keinen Automatismus. Der Bürger muss sich um Abänderung bemühen. Und das ist auch gut so. Wir brauchen keine Blockwarte, keine staatliche Willkür, die es ermöglicht, legal in unserem Privatleben rum zu fuschen.


    Richter sind keine Erziehungswissenschaftler oder Lehrer. Sie können nicht beurteilen, welcher Schulgang für das Kind der passendste ist. Das können aber häufig die Lehrer auch nicht, die Eltern ebenso wenig. Die Entscheidung über die weiterführende Schule kann, aber muss nicht zutreffend sein. Was kann also das Gericht tun, im Streitfall? Richtig, eben nur die fehlende Willenserklärung eines Elternteils ersetzen, wenn beide entscheiden müssen. Oder aber, wenn wie hier nur ein Elternteil entscheiden muss, überprüfen, ob es Gründe gibt, die alte Gerichtsentscheidung abzuändern, so dass wieder beide Elternteile entscheiden müssen und dann gegebenenfalls auch gleich den Streitfall zu entscheiden, wenn das denn beantragt wird und einem Elternteil das alleinige Entscheidungsrecht über die weitere schulische Ausbildung zu übertragen.


    Ich kenne genug Fälle, in welchen die Empfehlung der Grundschule völlig daneben lag, ebenso oft die Eltern. Die sollten eigentlich sehen und abschätzen können, wie das Kind zu Hause mit dem Schulstoff fertig wird, woran mögliche Defizite liegen. Was ich in diesem Zusammenhang als enorm hilfreich empfinde, das ist die zunehmende Durchlässigkeit des Schulsystems. Es gibt ganz viele Verlinkungen, von denen man früher nur träumen konnte. Also, eine Fehlentscheidung nach der 4. Klasse oder aber der fehlende Platz an der Wunschschule, davon geht dem Himmel sei Dank heute die Welt nicht mehr unter. Hier ist Flexibilität der Eltern gefragt.


    So, im dritten Teil kommt jetzt noch etwas zu Schulen im Allgemeinen.


    TK