Kindesunterhalt Arbeitslosigkeit Privatvermögen

  • Hallo liebes Forum,


    ich bin geschiedene Mutter mit 2 Kindern im Teenager-Alter. Mein Ex und Vater der Kinder verliert nun zum 4. Mal innerhalb von 6 Jahren seinen Job. Der bisherige Kindesunterhalt war nach der Düsseldorfer Tabelle bemessen. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und anderer Umstände besteht Grund zur Annahme, dass es nicht einfach sein wird, für ihn eine neue Anstellung zu finden bzw. überhaupt die Bereitschaft besteht, eine anzunehmen.


    Meine Fragen lauten:


    Kann er eigenmächtig den nicht titulierten K-Unterhalt ab dem Monat der Arbeitslosigkeit entsprechend der Höhe seines Arbeitslosengeldes kürzen? Oder errechnet sich dieser nicht aus dem Durchschnitsverdienst der letzte 12 Monate?


    Ist es richtig, dass er als Nachweis der "redlichen Bemühung" um einen Arbeitsplatz ca. 20 Bewerbungen pro Monat nachweisen muss?


    Wie sieht es -sollte er zeitnah keine neue Anstellung antreten- mit der Heranziehung seines Privatvermögens zum Zwecke der Kindesunterhaltsberechnung aus? Er verfügt über ein Barvermögen von mehreren Hunderttausend Euro.


    Regelmäßig spekuliert er mit Aktien und hat mir auch schon von erheblichen Gewinnen berichtet. Sind diese Gewinne nicht ebenfalls Bestandteil des Einkommens, welches zur Unterhaltszahlung zugrunde gelegt wird?


    Seine neue Frau und er sind beide in Steuerklasse 4. Gehören etwaige Rückerstattungen bei der jährlichen Einkommenssteuererklärung ebenfalls zur Grundlage der Kindesunterhaltsberechnung?


    Fragen über Fragen, ich bedanke mich herzlich im Voraus für Eure Informationen

  • Hallo Marta,


    erst einmal herzlich willkommen im Forum. Nun zu deinen Fragen:


    Für die Festlegung der Unterhaltshöhe wird zwar bei Nichtselbständigen das Einkommen der letzten 12 Monate herangezogen, um den Unterhalt zu berechnen. Allerdings ist diese Vorgehensweise nur als "Krücke" zu betrachten, um einen einigermaßen zutreffenden Unterhalt für die Zukunft zu ermitteln. Denn entscheidend sind immer die laufenden Einnahmen. Es wird also von der Vermutung ausgegangen, dass das Einkommen auch in Zukunft in etwa so bleibt. Wenn voraussehbar ist, dass dem nicht der Fall ist, dann ist auf der Basis des zu erwartenden Einkommens zu rechnen.


    "Redliche Bemühungen," ich wehre mich da irgendwie gegen eine bestimmte Stückzahl von Bewerbungen. Das ist für mich eine Einzelfallentscheidung, ob sich ausreichend bemüht wurde. Gerade wenn der Verpflichtete nicht mehr ganz jung ist, wird man auch schauen, auf welche Stellen er überhaupt genommen würde. Aber, bemühen muss er sich, ganz klar.


    Das mit dem Vermögen, das ist so eine Sache. In schöner Regelmäßigkeit ist das Vermögen aus der Sicht der Unterhaltsberechtigten unendlich hoch, aus der Sicht des Verpflichteten unendlich niedrig. Die Wahrheit liegt meist in der Mitte. Und dass jemand damit prahlt, was für ein toller "Vermögensvermehrer" er sei, und sei es, um zu ärgern, das kommt auch nicht so furchtbar selten vor. Aber, wenn der Verpflichtete nicht den Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle aus laufendem Einkommen zahlen kann, dann ist ihm zumutbar, auch sein Vermögen einzusetzen, allerdings muss er sein Schonvermögen nicht angreifen. Da er wieder verheiratet ist, dann nicht arbeitet, ist sein Selbstbehalt allerdings auch herab gesetzt.


    Ja, auch Steuerrückzahlungen, soweit sie ihm und nicht seiner Frau zuzurechnen sind, fließen in die Unterhaltsberechnungen grundsätzlich ein. Wie das jetzt im Fall der Arbeitslosigkeit aussieht, das vermag ich nicht abzuschätzen. Denn es geht ja um die Ermittlung des zukünftigen Einkommens.


    So, dass mal als Einstieg.


    Herzlichst


    TK

  • Hallo Timekeeper,


    herzlichen Dank für Deine sachliche, ausführliche Information. Damit hast Du mir schon einmal einen großen Schritt weitergeholfen.


    Ich weiß um beide Seiten: die des Unterhaltsberechtigten und ebenso des Unterhaltspflichtigen und es ist gut (bei allen Emotionen), sich dies immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Das hast Du mit Deinen Ausführungen getan und das ist bei mir angekommen. Zwar gibt es in unserem Fall ein paar Besonderheiten, mit denen ich niemandem im Forum langweilen möchte (dies wäre eher im Rahmen einer Selbsthilfegruppe zu besprechen ;-)), aber nun habe ich einmal eine grobe Richtung hinsichtlich rechtlicher Bestimmungen.


    Vielen Dank dafür und einen schönen Tag!


    Marta

  • Vielen Dank für die Blumen!


    Ich kenne das Problem natürlich auch, klar, und weiß sehr genau, was Kinder so kosten. Das Problem ist halt, dass Kinder teuer sind, auf der anderen Seite aber auch dem Zahler Luft zum atmen bleiben muss, finanziell gesehen. Bei einem Kind mag das noch funktionieren, aber schon bei zweien wird es häufig problematisch. Und wenn dann noch "neue" Kinder dazu kommen, dann wird es ganz eng. Das muss man einfach wissen.


    Ich denke noch mit Schrecken an das Jahr, in welchem mein Großer als fast Fußball-Profi (auch dafür war entsprechendes Schuhwerk zu kaufen) in einem Jahr durch drei Schuhgrößen gewachsen ist. Ich hatte das Gefühl, dass ich die deutsche Schuhindustrie finanziell alleine saniere. Und jetzt mit den angestiegenen Nebenkosten, wird für viele Alleinerziehende sehr eng werden. Trotzdem, auch der Zahler hat diese Mehrkosten.


    Alles nicht unbedingt befriedigend, klar. Aber, da fällt selbst mir nicht viel ein, und ich bin eigentlich recht kreativ.


    Einen schönen Tag noch!


    TK

  • Ja, kreativ muss man sein, das stimmt. Ob es in finazieller Hinsicht ist oder eben auch beruflicher...

    Du kannst mir glauben, nichts liegt mir ferner, als jemandem die Luft zum Atmen zu nehmen und dies wäre bei meinem Ex in seiner Lebenssituation trotz Arbeitslosigkeit auch sicher nicht der Fall. Ich bin auch nicht neidisch, sondern im Gegenteil ziemlich stolz auf alles, was ich mir beruflich aufgebaut habe und Tag für Tag wuppe. Ich habe nur langsam den leisen Verdacht, dass man sich gemütlich in den "Vorruhestand" verabschiedet und entsprechend den Unterhalt für seine beiden (einzigen) Kinder kürzt.


    Ich werde mir die Entwicklung in den nächsten Monaten ansehen (er steht noch ein paar Monate in Lohn und Brot) und dann ggf. eine rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um zu sehen, welche Möglichkeiten es gibt.


    Vielen Dank nochmal!

  • Was bedeutet nach Düsseldorfer Tabelle bemessen?

    In welcher Höhe wurde oder wird Unterhalt gezahlt?

    Wurde dieser eingestellt oder Derartiges angekündigt?


    Die Antworten auf die ursprünglich gestellten Fragen sind nur dann von Belang,


    1) wenn der Unterhalt nicht tituliert ist

    und/oder

    2) wenn der Unterhaltspflichtige Leistungsunfähigkeit einwendet

    und/oder

    3) wenn der Unterhaltspflichtige nicht zahlt


    Eine bisher ausgebliebene Titulierung sollte man für eine langfristige und dauerhafte Sicherung des Kindesunterhalts in Angriff nehmen, wenn die Gefahr besteht, dass Zahlungen eingestellt oder gekürzt werden.

  • Hallo Tabula rasa,


    wir haben zu Anfang eines jeden Jahres anhand seiner Lohnsteuerbescheinigung aus dem Vorjahr den Unterhalt gemäß etwaiger Anpassungen in der Düsseldorfer Tabelle neu berechnet. D.h. sein Netto-Lohn abzgl. halbes Kindergeld. Einvernehmlich ohne Anwalt oder Jugendamt.


    Was wir nie berücksichtigt haben, waren seine möglichen Steuererstattungen bzw. andere Kapitaleinkünfte.


    Aktuell bezieht er noch Gehalt, so dass sich bisher an seinen Zahlungen nichts geändert hat. Allerdings stellte er bereits in Aussicht, dass er sich angesichts seiner momentanen Situation an diversen (verabredeten) Sonderkosten wie bspw. Führerschein der Tochter nicht beteiligen könne. Ich habe in dem Gespräch ausschließlich zugehört und keine Äußerungen hinsichtlich dieser Ankündigungen gemacht.


    Gruß Marta

  • Ich verstehe! Eine etwas ungewöhnliche Lösung, aber auch kein Problem. Es klingt nach Zahlungen oberhalb des Mindestunterhaltes!? Soweit die Zahlungen noch laufen und keiner eine konkrete Änderung gefordert hat, ist zu empfehlen es einfach so weiterlaufen zu lassen und nicht tätig zu werden.


    Bei der nächsten Absprache zu diesem Thema, sollte der vereinbarte Unterhalt dann auch mal verbindlich tituliert werden, dann musst du dir über deine eingangs gestellten Fragen nämlich auch keine Gedanken mehr machen.

  • ...seit ich mich hier in dem Forum ein wenig eingelesen habe, gebe ich Dir recht: offensichtlich praktizieren wir unsere Unterhaltsangelegenheiten doch recht unkonventionell... Ich war immer der Meinung: so wenig Jugendamt und Anwalt wie möglich.


    Danke für Eure Unterstützung!

  • Hallo Marta,


    was viele nicht wissen: die Düsseldorfer Tabelle zeigt die bereits


    "bereinigten" Nettoeinkommen an. Wenn ihr also nur nach dem Netto das auf

    dem Gehaltszettel steht gegangen seid, dann hat er evtl zu viel gezahlt.


    edy

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  • Hallo,


    Da die Fragestellerin die Einkommenssteuerbescheinigungen und nicht etwa die Einkommensabrechungen als Berechnungsgrundlage nahm, hat der Vater wohl kaum zu viel gezahlt.

    Zitat von aus dem Netz

    Das Finanzamt erkennt für die Fahrt zur ersten Tätigkeitsstätte pro Arbeitstag jeden Kilometer der einfachen Wegstrecke als Fahrtkosten an,

    Im Unterhaltsrecht wird mit der Fahrtstrecke hin und zurück gerechnet.


    Kreditkosten tauchen meist nicht in der Einkommensteuer auf ? .


    edy

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  • Einkommenssteuerbescheinigungen und nicht etwa die Einkommensabrechungen als Berechnungsgrundlage

    Begrifflichkeiten sind hier schon von Bedeutung.

    zu Anfang eines jeden Jahres anhand seiner Lohnsteuerbescheinigung aus dem Vorjahr

    Damit dürfte die elektronische Lohnsteuerbescheinigung des Kalenderjahres gemeint sein.


    Hier dürften also weder die Bereinigungen erfasst, noch die mögliche Erstattungen berücksichtigt worden sein.

    Es ist also etwas genauer zu schauen, was da an Einkommen zu berücksichtigen war.


    Gruß


    frase

  • Hallo liebes Forum,


    nun sind gute neun Monate seit meinem Beitrag vergangen, ab 01.09. bezieht der Vater nun Arbeitslosengeld und hat mir telefonisch angekündigt, dass er den Unterhalt ab 01.09. entsprechend anpassen würde. Er weiß noch nicht, wie hoch sein ALG ausfallen wird (ich denke, er wird einen Höchstsatz beziehen, da er immer über der BBG lag) und faselte schon etwas von "Selbstbehalt". damit würde er nicht den Mindestsatz der Düsseldorfer Tabelle erreichen.


    Nun brauche ich Euer Expertenwissen:


    darf er einfach den Unterhalt kürzen? Und wenn nein, wie reagiere ich am besten darauf?

    er ist verheiratet, wird dann nicht das Einkommen seiner Frau mit herangezogen?

    was ist nun mit Privatvermögen?

    er gönnt sich eine Zweitwohnung für rund EUR 1.700,00 monatlich, in der er alle 14 Tage seine Kinder empfängt, da in der ehelichen Wohnung mit rund 160 m2 nicht ausreichend Platz ist

    Bewerbungen schreibt er erst seit ungefähr April diesen Jahres (obwohl er bereits seit 01.11.2022 freigestellt ist); sind das "redliche Benühungen" um einen Arbeitsplatz?

    Wie schätzt Ihr die Aussichten ein, unter diesen Umständen ein "fiktives Einkommen" zugrundzulegen?


    Ich weiß, dass ich nun die Unterstützung eines Anwalts benötige, dennoch freue ich mich auf Eure Erfahrungswerte vorab.


    Grüße Marta

  • Hallo Marta,


    gehts um Kindesunterhalt ?


    Besteht ein Titel/Jugendamtsurkunde?


    Das EK seiner Frau wird i.d R. nicht mit angerechnet.


    edy

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  • Hallo Edy,


    ja, es geht um Kindesunterhalt. Es besteht kein Titel / Jugendamtsurkunde.


    Er kündigt mir an, dass er den Mindestunterhalt nicht zahlen kann und wird seine Zahlungen entsprechend ab 01.09. anpassen.


    Gruß Marta

  • "er gönnt sich eine Zweitwohnung für rund EUR 1.700,00 monatlich, in der er alle 14 Tage seine Kinder empfängt, da in der ehelichen Wohnung mit rund 160 m2 nicht ausreichend Platz ist"

    "Er kündigt mir an, dass er den Mindestunterhalt nicht zahlen kann"


    Dann sollte er mal als erstes dieses Luxusapartment kündigen!

    :-)

  • Wenn wir hier vom Maximalbetrag des ALG I sprechen, dann erübrigen sich sämtliche Fragen nach dem Einkommen der Ehefrau, Vermögen oder dem Selbstbehalt. Dürfte alles nicht relevant sein.


    Das maximale Zeichen des Entgegenkommens sollten 100% des Mindestunterhaltes sein. Sinnvollerweise berechnet man den Unterhalt aber auf der Höhe des ALG I.


    Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens ist möglich, wenn der Arbeitsplatz z.B. absichtlich aufgegeben wurde. Bei Forderungen und Zahlungen oberhalb des Mindestunterhaltes ist man dafür vor Gericht aber beweisbelastet. Daher würde ich es persönlich nicht verfolgen. Aber da kann man unterschiedlicher Auffassung sein.

  • "Wenn wir hier vom Maximalbetrag des ALG I sprechen, dann erübrigen sich sämtliche Fragen nach dem Einkommen der Ehefrau, Vermögen oder dem Selbstbehalt. Dürfte alles nicht relevant sein."


    Hallo Tabula Rasa, das verstehe ich nicht. Er wird mit diesem Maximalbetrag nicht den Mindestunterhalt für seine beiden Kinder stemmen können. Zumindest, wenn die Werte stimmen, die ich gefunden habe (EUR 2.100,00).

  • Hi,


    ich teile die Ansicht von TR. Ich würde mich drauf konzentrieren, für die beiden Kinder den Mindestunterhalt austituliert zu bekommen. Dann hat man eine Sicherheit. Mich würde in dem Zusammenhang nicht interessieren, ob er sich wann und wie viel beworben hat. Bei Freistellungen weiß man ja häufig nicht, wie sie enden. Können ohne weiteres betriebsbedingt sein. Und ob ihm seine Ehefrau sein aufwändiges Leben finanziert, ist dann auch einerlei. Hast du bei deiner Überlegung eigentlich berücksichtigt, dass sich sein Selbstbehalt bei Nichtberufstätigkeit und Ehestatus reduzieren kann?


    TK