Verwandte in gerader Linie sind einander zu Unterhalt verpflichtet. Aus dieser gesetzlichen Regelung resultiert der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegenüber seinen Eltern.
Ein Unterhaltsanspruch setzt immer voraus, dass der Anspruchsteller bedürftig ist. Bei Kindern ist dies in der Regel der Fall, wenn sie minderjährig sind oder aber noch keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Die Eltern müssen den Kindern eine Berufsausbildung finanzieren.
Ist das Kind bereits volljährig und verfügt es z. B. aufgrund einer Erbschaft oder einer großzügigen Schenkung der Großeltern über eigenes Vermögen, stellt sich allerdings die Frage, ob Eltern dennoch zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet sind.
Kindesunterhalt wird verweigert
Der Fall, den das OLG Zweibrücken durch Beschluss v. 16.10.2015 unter dem Az.: 2 UF 107/15 entschied, lag folgender Sachverhalt zugrunde.
Eine Psychologiestudentin verlangte von ihrem Adoptivvater die Zahlung von Kindesunterhalt. Der Vater hatte sich allerdings von der Mutter getrennt. Dennoch sei er weiterhin dazu verpflichtet, der Tochter eine Berufsausbildung zu finanzieren, so argumentiere die Antragstellerin.
Der Vater lehnte eine Zahlung jedoch ab. Seine Tochter verfüge über ausreichend Vermögen, um sich selbst zu unterhalten. So habe er ihr z. B. freiwillig vor ca. zwei Jahren 25.000 Euro geschenkt. Insgesamt müsse seine Tochter über ungefähr 50.000 Euro verfügen.
Das Familiengericht wies die Klage der Tochter ab und begründete dies damit, dass die Studentin aufgrund eigenen Vermögens nicht unterhaltsbedürftig sei. Daraufhin verlangte die Kindsmutter von ihrer Tochter die Zahlung von beinahe 50.000 Euro – dieser Betrag umfasste sämtliche Aufwendungen, die sie für ihre Tochter ab deren Volljährigkeit getätigt hatte. Nunmehr mittellos verlangte die Tochter erneut gerichtlich von ihrem Vater Kindesunterhalt.
OLG verneint Unterhaltsbedürftigkeit
Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken lehnte eine Zahlungsverpflichtung des Vaters ab.
Es urteilte wie folgt: Grundsätzlich seien minderjährige bzw. volljährige Kinder, die eine Ausbildung machen oder studieren, nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen, da sie über kein Einkommen verfügten. Daher müssen Eltern Unterhalt zu zahlen. Diese Pflicht könne allerdings nach § 1602 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entfallen, wenn das Kind über Vermögen verfügt.
Kein Unterhalt bei Vermögen des Kindes
Minderjährige Kinder
Solange minderjährige unverheiratete Kinder noch die Schule besuchen, gelten sie automatisch als bedürftig. Auch müssen sie einen etwaigen Vermögensstamm nicht angreifen, also z. B. keine Aktien verkaufen oder ihr Sparkonto auflösen. Allerdings müssen sie sich nach § 1602 II BGB nicht unerhebliche Einkünfte, z. B. aus Kapitalvermögen oder aus einer Nebentätigkeit, anrechnen lassen. Das kann dazu führen, dass sie keinen Unterhalt von ihren Eltern verlangen können.
Volljährige Kinder
Anders sieht die Rechtslage bei volljährigen Kindern aus. Sie müssen, wenn sie sich in einer Berufsausbildung befinden, auch den Stamm ihres Vermögens zur Deckung ihres Lebensbedarfs verwenden. Das bedeutet, dass sie im Notfall etwa Aktien verkaufen oder ein Geldgeschenk der Großeltern aufbrauchen müssen. Daneben müssen sie sich in jedem Fall das Kindergeld als Einkommen voll anrechnen lassen.
Sie dürfen lediglich eine Reserve von ca. 5000 Euro zurückbehalten. Das ist eine Art Notgroschen für den Fall etwa einer Krankheit oder zur Finanzierung des Führerscheins.
Kein Unterhalt trotz Vermögensverbrauch
Verbraucht das volljährige Kind sein Vermögen anderweitig, beispielsweise für Urlaubsreisen und ist dann kein Geld mehr zum Bestreiten des Lebensunterhalts übrig, kann es dennoch keinen Unterhalt mehr verlangen. Es muss sich vielmehr ein „fiktives“ Vermögen anrechnen lassen und sich so behandeln lassen, als ob es tatsächlich noch über ausreichend Vermögen verfügt, das bedarfsdeckend eingesetzt werden kann.
Im vom OLG zu entscheidenden Fall standen der Tochter ursprünglich über 50.000 Euro zur Verfügung. Dieses Geld hätte ausgereicht, um sie für mehrere Jahre zu versorgen. Stattdessen hat sie der Mutter das Vermögen übertragen. Für diese Vermögensübertragung gab rechtlich keinen Grund. Die Aufwendungen der Mutter waren zum einen nicht erforderlich, sondern sollten dem Kind eine großzügigere Lebensgestaltung ermöglichen. Zum anderen konnte nicht belegt werden, dass die Ausgaben tatsächlich getätigt worden waren.
Deshalb nahm das OLG an, die Tochter habe ihre Bedürftigkeit grundlos selbst herbeigeführt. Sie muss sich daher so behandeln lassen, als ob sie noch über Vermögen verfügt. Damit ist sie nicht unterhaltsbedürftig – ein Zahlungsanspruch gegen den Vater besteht nicht.
Es bleibt nach der OLG-Entscheidung festzuhalten: Verfügen volljährige Kinder über eigenes Vermögen, gelten sie nicht als unterhaltsbedürftig. Sie müssen ihr Vermögen bedarfsdeckend einsetzen und können keinen Kindesunterhalt verlangen.